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Archiv-Artikel

Der Hunger nach einer „guten“ Wirtschaft

ALTERNATIVEN Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus wirbt in Wolfsburg für seine Idee des „Social Business“: Unternehmen sollen für einen guten Zweck und ohne die Gier nach immer mehr Profit arbeiten. Doch seine Bündnisse mit Konzernen sind umstritten

AUS WOLFSBURG MANUELA HEIM

Mit Mikrokrediten ist Muhammad Yunus bekannt geworden. Inzwischen macht die Nobelpreisidee auch Negativschlagzeilen. Aber eigentlich ist Yunus sowieso schon beim nächsten Großprojekt. „Social Business“ heißt sein neues Buch und seine neue Mission. Am Donnerstag und Freitag kamen die, die schon dabei sind, und die, die nach neuer Inspiration suchen, in Wolfsburg beim „Global Social Business Summit“ zusammen.

Den Friedensnobelpreis hat Yunus 2006 für die revolutionäre Idee des Mikrokreditsystems bekommen. Den Ärmsten der Armen hat seine Grameen Bank ein wenig Geld und neue Perspektive gegeben. In den vier Jahren, die seitdem vergangen sind, ist daraus ein weltumspannendes System aus Mikrokreditfonds und -banken geworden. Die hohen Zinssätze und Rückzahlquoten lockten auch weit weniger altruistische Geschäftemacher als Yunus an. Inzwischen gehen sie an die Börse und machen Schlagzeilen mit skrupellosen Schuldeneintreibern und Suiziden unter Schuldnerinnen. „Schlecht ist das“, sagt Yunus. Nach seiner Vorstellung müsste es Zertifikate für die Fonds geben. Ähnlich wie die der Ratingagenturen, die bislang vor allem für sichere Renditen gute Noten vergeben.

Inzwischen spricht Yunus aber sowieso lieber vom Social Business. „Überall begegnet mir der Hunger nach dieser Idee“, sagt Yunus. Die Idee vom Wirtschaften für einen guten Zweck und ohne die Gier nach immer mehr Profit. Ganz neu ist das nicht: Schon 2006 legte Yunus zusammen mit dem Lebensmittelkonzern Danone den Grundstein für sein erstes Social Business: Grameen Danone. Mit angereichertem Joghurt soll Mangelernährung bei den Kindern Bangladeschs bekämpft werden. Das Großunternehmen will daran nichts verdienen, aber auch keine Verluste einfahren. Denn das wäre ja wieder Wohltätigkeit. Kritiker werfen Yunus vor, er lasse sich von Unternehmen wie Danone benutzen, die damit nur ihr Image aufpolieren wollen. „Ich dachte, ich benutze Danone“, pflege er darauf zu sagen.

Genauso rasch wie das Mikrokreditsystem hat auch die Idee vom Social Business ihre Reise um die Welt angetreten. Yunus kommt als ihr Botschafter und gibt seinen Namen für eine Unzahl von Projekten. Etwa für die Ein-Euro-Turnschuhe, die Adidas in armen Regionen verkaufen will. In Haiti gibt es ein Projekt mit SAP, in Bangladesch noch eins mit dem Versandhändler Otto, in Mexiko verhandelt Yunus mit einem investitionswilligen Milliardär.

Diesen „Hunger“ nach sozialem Wirtschaften, den gibt es auch in Deutschland. „Es macht keinen Sinn, in New York, auf Haiti und überall auf der Welt rumzusitzen, wenn du nicht vor der eigenen Tür anfängst“, sagt Hans Reitz, der mit dem Grameen Creative Lab durch Europa tourt. Mit der von ihm gegründeten Initiative will Reitz die Idee vom Social Business auch nach Deutschland tragen. Etwa um Perspektiven für Langzeitarbeitslose, Jugendliche, Alleinerziehende zu schaffen. „Social Business ist dafür gemacht, Probleme zu lösen“, sagt Yunus. Aber eben nach den Regeln des Marktes, deshalb könne es auch in der industrialisierten Welt funktionieren.

In Wiesbaden zum Beispiel. Reitz, der eigentlich Eventmanager ist, hat hier mit Gleichgesinnten ein Netzwerk geschaffen. Ein Restaurant ist so entstanden, ein Kinderladen, ein mittelständisches Unternehmen hat zwei Social Businesses in Kolumbien und Haiti gegründet. Auch Social Business sei nur ein Weg zu einer gerechteren Gesellschaft. „Zwischen den Extremen – zwischen Social Business und Profitgier – gibt es viele Abstufungen und sie sind alle gut.“