China auf deutlicher Distanz zu Nordkorea

Neue wütende Kriegsdrohungen und Hinweise auf einen geplanten zweiten Atombombentest in Pjonjang. Die chinesische Regierung tritt Vorwürfen entgegen, man trage die im Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen gegen Nordkorea nicht mit

AUS PEKING GEORG BLUME

Glaubt man dem Titel eines großen chinesischen Wochenmagazins, hat das nordkoreanische Außenministerium vielleicht recht, wenn es die jüngst verabschiedete UN-Resolution als „Kriegserklärung“ bezeichnet. Diese Woche erschien die Zhonguo Xinwen Zhoukan mit der Überschrift „Schändliches Nordkorea“ und einem düsteren Bild des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il vor einem weißen Atompilz. Das parteizensierte Blatt illustriert damit die neue Nordkorea-Politik Pekings. Wobei die Parteisprache das Wort „schändlich“ bislang nur zur Charakterisierung von Chinas Feinden benutzt hat, aber nie für ein altes kommunistisches Bruderland wie Nordkorea.

Die Zeichen in Peking stehen also auf Konfrontation mit Kim. Zumal es gestern neue Hinweise auf Vorbereitungen für einen zweiten Atomtest Nordkoreas gab. Entsprechende Informationen erhielt der japanische Außenminister Taro Aso, die von südkoreanischer Seite jedoch nicht bestätigt worden. Pekings Außenministerium warnte daraufhin Nordkorea, „alles zu unterlassen, was die Spannung weiter verschärfen“ könnte.

Die chinesische Diplomatie versucht dem Eindruck entgegenzutreten, Peking stehe nicht hundertprozentig zur Durchsetzung der UN-Resolution. Dieser Eindruck war entstanden, nachdem Chinas UN-Botschafter Wang Guangya angedeutet hatte, dass die beschlossenen Sanktionen nicht der letzte Schritt seien und jederzeit wieder aufgehoben werden könnten. Wang bezweifelte zudem den Zweck ständiger Fracht- und Lieferungskontrollen nach Nordkorea. Gleichwohl begannen die Kontrollen bereits am Montag entlang der 1.300 Kilometer langen Grenze mit Nordkorea. Es wird dabei nach Waffen und militärisch „sensiblen“ Material gesucht, das entsprechend der UN-Resolution nicht mehr nach Nordkorea geliefert werden darf. Eine vollständige Kontrolle aller Lkws und Bahnwagen, die von China nach Nordkorea die Grenze überqueren, erscheint jedoch unrealistisch. „Es handelt sich mehr um einen symbolischen Schritt und ist keine echte Sanktionsmaßnahme“, räumte Xu Guangyu vom Chinesischen Waffenkontroll- und Abrüstungsverband ein. China betreibe ohnehin keinen Waffenhandel mit Nordkorea, wie ihn die UN jetzt verbieten würden. „Also gibt es praktisch nicht viel zu tun. Wir können mit den Kontrollen nur unsere Gefühle gegenüber den Nordkoreanern ausdrücken“, erklärte Xu. Auch dementierten chinesische Diplomaten inzwischen die Errichtung eines neuen Grenzzauns zu Nordkorea, von dem im Westen angenommen wurde, er solle den Sanktionen dienen. Der Zaun werde bereits seit Jahren gebaut. Effektiver erscheinen den Chinesen offenbar die von den UN vorgesehenen Finanzsanktionen. Mehrere chinesische Banken gaben bekannt, Transaktionen mit Nordkorea eingestellt oder zumindest beschränkt zu haben. Die USA drängen China immer stärker, harte Maßnahmen gegenüber Nordkorea zu ergreifen. Der stellvertretende US-Außenminister Nicholas Burns forderte Peking auf, alle Lastwagen, die nach Nordkorea einreisen, zu kontrollieren. Um den Sanktionsdruck weiter zu verstärken, ist US-Außenministerin Condoleezza Rice heute in Japan, um anschließend nach China, Südkorea und Russland weiterzureisen. Sie will die Gespräche nutzen, um „gegenseitige Verpflichtungen zu bekräftigen“. China wäre indessen interessiert, die Fortsetzung der so genannten Sechsergespräche zwischen den beiden Koreas, China, den USA, Russland und Japan in Aussicht zu stellen – was die USA inzwischen ausschließen.