: Finnland lässt sich AKW bauen
ENERGIE Für das russische Unternehmen Rosatom wird der Bauauftrag ein Milliardengeschäft werden. Gegner kritisieren zunehmende Abhängigkeit
STOCKHOLM taz | Die Vorgänge in der Ukraine halten Finnland nicht davon ab, milliardenschwere neue Geschäfte mit Russland abzuschließen. Am Dienstag unterschrieb das Konsortium zum Bau eines neuen AKW, das nahe Pyhäjoki an der Ostseeküste geplant ist, einen Vertrag mit der russischen Nukleargesellschaft Rosatom zur gemeinsamen Finanzierung und zum Betrieb eines von Rosatom zu liefernden Reaktors. Dem Konsortium gehören sowohl Dutzende öffentliche wie private Energiebetriebe, wie finnische Industrieunternehmen an, die als Gegenleistung für ihre Mitfinanzierung Atomstrom zum Selbstkostenpreis erhalten sollen.
Ursprünglich sollte das AKW unter der Regie des deutschen Energiekonzerns Eon gebaut werden. Nachdem sich dieser im Oktober 2012 aus dem Projekt zurückgezogen hatte, suchte das Konsortium nach einem neuen Partner, der sowohl die hauptsächliche Finanzierung der auf 6 Milliarden Euro geschätzten Baukosten übernehmen wie für den eigentlichen Reaktorbetrieb verantwortlich sein sollte. Einziger Interessent war Rosatom, das über eine finnische Tochter mittlerweile Eons 34-prozentigen Anteil übernahm, diesen aber vermutlich auf bis zu 49 Prozent aufstocken wird, weil mehrere ursprüngliche Mitglieder des Baukonsortiums mittlerweile ausgestiegen sind.
Der Bau, der bis 2024 fertiggestellt sein soll, war 2010 von der Regierung und einer Parlamentsmehrheit genehmigt worden – allerdings mit Eon als Betreiber. Mit dem Betreiberwechsel zu Rosatom wird eine neue politische Entscheidung notwendig, die noch in diesem Jahr ergehen soll. AKW-Gegner verweisen unter anderem darauf hin, dass sich mit dem Einstieg des russischen Staatsunternehmens der Charakter des Projekts grundlegend geändert habe. Ein Argument der AKW-Befürworter sei stets eine verminderte Energieabhängigkeit von Russland gewesen: Nun mache sich Finnland aber sogar noch abhängiger von Moskau als zuvor.
REINHARD WOLFF