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Archiv-Artikel

Ein verwaister Kontinent

Adoptivmutter Madonna ist nicht die erste weiße Prominente, die in Afrika für ein schwarzes Kind die Gesetze beugt – sie steht vielmehr für einen Trend, der durchaus seine bedrohlichen Seiten hat

aus JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Superstar Madonna fliegt ins arme Malawi, lässt ihre Dollars über Aidshilfe und Waisenkinder regnen – und reist mit der Option auf ein neues schwarzes Familienmitglied wieder nach Hause. Ihr 13 Monate alter Adoptivsohn, David Banda, fliegt später mit Madonnas Bodyguard nach London. Eine Blitzaktion. Keine Adoption hat bisher eine solche Debatte in Malawi und auch in Südafrika ausgelöst.

War es ein Akt der Nächstenliebe? Ein wirksamer PR-Schachzug? War es im Sinne des Kindes? Gibt es dagegen überhaupt etwas einzuwenden? Für Joan van Niekerk gibt es das allerdings: „Regeln zum Schutz von Adoptivkindern wurden für den Megastar zurechtgebogen“, kritisiert die Sprecherin der Hilfsorganisation Childline in Südafrika, das dürfe nicht zum Trend werden. Malawis Behörden haben in Madonnas Fall darauf verzichtet, die Lebensgewohnheiten und Umstände der Adoptiveltern unter die Lupe zu nehmen, sie mussten nicht die sonst üblichen 18 Monate warten – und das Gesetz in Malawi lässt Adoptionen durch Ausländer gar nicht zu.

Überdies gab es auch einen Vater, der den kleinen David erst nach dem Tod seiner Mutter im Waisenhaus unterbrachte – aber mit Madonna als neuer Mutter einverstanden ist. „Adoption ist aber nicht immer die einzige Lösung“, sagt Niekerk. Ideal sei es, wenn Kinder in ihrem biologischen und kulturellen Umfeld aufwachsen: „So hätte man den Vater des kleinen David auch unterstützen können, dass sein Sohn bei ihm eine gesicherte Zukunft hat“, findet Niekerk.

Kindlicher Kulturverlust

Hohe Adoptionszahlen der südafrikanischen Organisationen, die mit Unterstützung des Sozialministeriums schwarze Kinder an Ausländer vermitteln, belegen den Wunsch vieler Weißer nach einem schwarzen Baby. Eine „interkulturelle Adoption“ sei nicht von vornherein als Problem zu sehen, meint Niekerk. Es käme auf die Motivation der Adoptiveltern an, den korrekten Prozess der Vermittlung und den Umgang mit der Kultur des Kindes, das es mit Annahme des Lebensumfeldes der neuen Eltern im Ausland größtenteils verliert.

Die Vorschrift, künftige Lebensumstände zu überprüfen, seien „zum Schutz des Kindes da“ und müssten eingehalten werden, beharrt Niekerk. Bei Adoptionen aus Südafrika sei es schon passiert, dass Kinder als Sexsklaven oder Haushaltshilfen in fernen Ländern endeten.

In Südafrika und vielen Nachbarländern adoptieren einheimische Familien weniger Kinder, als es Ausländer tun. Es war eine britische Familie, die aus Frust über den langsamen Adoptionsprozess in England in Südafrika geklagt und einen Präzedenzfall geschaffen hat – bis zum Jahre 2000 waren Adoptionen für Ausländer nicht möglich. Doch die Aidskrise lässt im Land Millionen von Waisen zurück, für die es oft keine anderen Optionen gibt.

„Das hat mit Ignoranz zu tun“, sagt Sheri Shenker, Mitarbeiterin bei Impilo, einer Adoptions-NGO in Johannesburg. Eine Herausforderung für Eltern und Adoptivkind sei es, das Leben mit Bezug zu anderen Kulturen als Bereicherung zu gestalten: „Es besteht noch die Trennung in den Köpfen der Menschen, wenn es um Rasse geht.

Von den Ahnen des Kindes

Schwarze Familien entscheiden sich seltener für Adoptionen. Überlegungen der Regierung, schwarze Eltern mit ein wenig Geld finanziell bei Adoptionen zu unterstützen, sind wieder vom Tisch.

Hinzu kommt ein kultureller Aspekt: Das Aufziehen von Verwandten im afrikanischen Familienkreis ist verbreitet – nicht aber, wenn es fremde Kinder sind. Shenker: „Der Gedanke, dass die Ahnen des Kindes nicht aus der Familie stammen, löst eher einen Block aus.“

Auch gibt es seitens schwarzer Südafrikaner öfter die Einstellung, ohne Einbindung in die schwarze Kultur fehle jede Grundlage für die gesunde Identität eines afrikanischen Kindes. Andererseits sind sich sowohl Laien als auch Experten einig, dass ein Aufwachsen in Heimen für Kinder das Schlimmste ist und sich negativ auf die Psyche auswirkt. „Liebe einer Familie ist das Notwendigste zur Entwicklung des Kindes“, bestätigt Sheri Shenker. Neben NGO werben auch private Websites für Adoptionen von Waisen. Slogan: „Africa’s Angels“.

Die südafrikanische Verfassung ist in der Adoptionsfrage flexibel, denn auch allein erziehende Mütter und Väter, Schwule und Lesben können Kinder adoptieren. Auch die Altersgrenze trägt einer sich verändernden Gesellschaft mit „jüngeren Älteren“ Rechnung – und gesteht Frauen auch bis 50 Jahre noch zu, Kinder zu erziehen.