: Neue Daten im Visier
Rückschlag für die Verfassungsschutz-Pläne von Innenminister Wolf (FDP): Experten sehen großen Lauschangriff verfassungsrechtlich auf dünnem Eis. Die Regierungskoalition geht in die Defensive
VON SIMON KARSTEN
Die von Nordrhein-Westfalens Innenminister Wolf (FDP) geplante Änderung des Verfassungsschutzgesetzes ist nach Ansicht der Opposition verfassungswidrig. „Ausgerechnet ein liberaler Innenminister instrumentalisiert die Terror-Bekämpfung, um Bürgerrechte auf ein Wunschkonzert zu reduzieren“, so Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion.
Auch die SPD-Fraktion fordert einen Rückzieher Wolfs – und beruft sich auf eine Expertenanhörung im Landtag. So fehlten klare Regelungen zum Abhören von Wohnungen und beim Zugriff der Verfassungsschutzbehörden auf private Computerdateien. Der Minister müsse seinen „schludrigen Entwurf“ schleunigst zurückziehen, fordert der sozialdemokratische Innenexperte Karsten Rudolph. Wolf plane den „großen Netz- und Lauschangriff“, ärgert sich die Grüne Düker. Faktisch plane das Innenministerium künftig „das Ausspionieren jedes Rechners, der am Internet hängt“.
„Es wird Neuland betreten, ein heikles Feld“, so Stefan Huster, Mitglied des Sachverständigen-Ausschusses, zur taz. „Es ist zweifelhaft, ob die Änderungen den gesetzlichen Regelungen zur Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung in ausreichendem Maße genügen.“
Entscheidend sei dabei die Frage nach den Eingriffsvoraussetzungen. Sollte sich herausstellen, das die Überwachung von privaten Rechner die Unverletzlichkeit der Wohnung gar nicht berührt, greifen lediglich die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. „In dem Fall sieht das Gesetz bei einer möglichen Anwendung keine zwingende richterliche Anordnung vor“, sagt Huster. Das Ministerium könnte dann in Eigeninitiative Überwachungen vornehmen.
Innenminister Wolf wünscht sich dagegen eine Ausweitung der Auskunftsrechte des Verfassungsschutzes selbst gegenüber Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsdienstleistern. Doch die Experten wollen auch dies ausbremsen: „Eine schleichende Ausweitung der Auskunftsrechte auf den gesamten Bereich des Verfassungsschutzes ist problematisch“, so Huster.
Inzwischen wachsen selbst innerhalb der Regierungskoalition die Bedenken. Zwar erklärt Horst Engel, Innenexperte der FDP, noch knapp, Wolfs Entwurf finde die „richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“. Die CDU geht dagegen vorsichtig auf Distanz: Nachdem die Experten die Planungen zur Ausweitung der akustischen Wohnraumüberwachung kritisiert hatten, erklärte Peter Biesenbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, kurzerhand, der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz könne auf die Befugnis zum Abhören von Wohnungen verzichten. Den Grünen im Düsseldorfer Landtag geht das nicht weit genug: Ihre Innenexpertin Düker droht bereits mit dem Gang zum Landesverfassungsgericht in Münster.