Kieler Störche im steilen Sturzflug

Der FC St. Pauli gewinnt Regionalliga-Krisenderby bei Holstein Kiel mit 2:1. Während St. Paulis Trainer Andreas Bergmann wieder fester im Sattel sitzt, will Kiels Vorstand in den kommenden Tagen einen neuen Coach präsentieren

Klaus Thomforde, kein Freund geschliffener Sätze, brachte es auf den Punkt. „Es ist uns heute nichts gelungen“, haderte der Interims-Coach von Holstein Kiel nach der 1:2 (0:1)-Heimpleite gegen den FC St. Pauli mit der Leistung seines Teams. Sein Gegenüber, Andreas Bergmann, ließ dagegen weniger schmallippig die abgelaufene Partie Revue passieren. Sein Team sei „von Beginn an sehr präsent“ gewesen, habe sich zudem „endlich einmal für eine gute Leistung“ belohnt.

Nach dem Sieg im Nordderby der im bisherigen Saisonverlauf enttäuschenden Aufstiegsmitfavoriten hat St. Pauli Anschluss an das Mittelfeld gefunden. Während im Kreis der Kiez-Kicker die Metaphern des „Befreiungsschlages“ und des „geplatzten Knotens“ intensiv bemüht wurden, befinden sich die Kieler Störche im ungebremsten Sturzflug in Richtung Abstiegszone.

Vor 11.386 Zuschauern im ausverkauften Holstein-Stadion übernahmen die Gäste sofort die Initiative und hatten bereits nach 80 Sekunden durch Florian Bruns die Chance zur Führung.

Während die Kieler in der ersten Hälfte keinen geordneten Spielaufbau zustande brachten und nur zweimal nach Standards gefährlich wurden, kombinierte St. Pauli gefällig und hätte durch den allein auf Simon Henzler zulaufenden Felix Luz nach 17 Minuten in Führung gehen müssen. Doch wie Luz, der sich den Ball vom Kieler Keeper vom Fuß fischen ließ, scheiterten die Hamburger wiederholt an ihrer Abschlussschwäche.

Nur mit tätiger Mithilfe eines Kielers gelang ihnen nach 40 Minuten die verdiente 1:0-Halbzeitführung. Einen weiten Einwurf von Florian Lechner köpfte Kiels Kapitän Michael Molata im eigenen Strafraum direkt vor die Füße von Charles Takyi, der keine Mühe hatte, Henzler aus vier Metern zu überwinden.

Auch in der zweiten Spielhälfte dominierten die Hamburger das Geschehen und erspielten sich weitere gute Chancen. Nach einer Stunde dann die Vorentscheidung. Nachdem St. Paulis Torwart Patrick Borger einen Kopfstoß von Sven Boy nach einer Kieler Ecke mit einem Reflex pariert und damit die bis dahin beste Kieler Chance vereitelt hatte, führte der anschließende Konter zum 0:2. Takyi, bester Mann auf dem Platz, fand Marvin Braun in der Spitze, dem es gelang, seinen Gegenspieler abzuschütteln und durch die Beine von Henzler sein erstes Pflichtspieltor für St. Pauli zu erzielen.

Nachdem sich die Kieler durch ein rüpelhaftes Foul durch Christian Mikolajczak zehn Minuten vor Spielende selbst dezimiert hatten, gelang ihnen doch noch der nicht mehr erwartete Anschlusstreffer. Einen Freistoß von Ersatzmann Fin Bartels schädelte der ebenfalls kurz zuvor auf den Platz gekommene Heiko Petersen nach 83 Minuten unhaltbar zum 1:2 in die Maschen. St. Pauli verlor nun die spielerische Ordnung, musste noch drei Kieler Chancen zulassen, hatte aber am Ende Pech, dass Takyi in der Nachspielzeit zwei besser postierte Mitspieler übersah und damit eine sichere Einschusschance nicht nutzte.

Während St. Pauli mit einem Heimsieg gegen Tabellenschlusslicht Mönchengladbach II am Freitag wieder in Tuchfühlung zur Tabellenspitze kommen kann, stehen den Kielern unruhige Zeiten bevor. In den nächsten Tagen will der Vorstand einen neuen Trainer präsentieren, wobei dem ehemaligen HSV-Spieler Stefan Schnoor, der das Derby live mitverfolgte, gute Chancen eingeräumt werden.

Am Sonntag könnte dann eine weitere Hamburger Mannschaft die Störche endgültig in die Abstiegszone stoßen. Dann müssen die Kieler bei den heimstarken Amateuren des HSV antreten.

Marco Carini