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Archiv-Artikel

Rechtsrock mit Bratwurst

Mehr als 750 Nazis demonstrieren für die Freilassung des Sängers der rechtsextremen Band Landser. Nach erstem Nazikonzert auf Berliner Straßen verhaftet Polizei einen Sänger. Wenig Antifa-Protest

von Konrad Litschko

Diesmal wollten sie es sein, mit etwas Musik ihrem Rechtsrock-Idol Michael „Lunikoff“ Regener eine Freude zu bereiten. Der Sänger der Naziband Landser genießt in der rechten Szene Märtyrerstatus, seit er im Dezember 2003 zu drei Jahren Haft wegen Volksverhetzung verurteilt und seine Band als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Am Sonnabendnachmittag war dies Grund genug für hauptsächlich junge Rechtsextreme, für die Freilassung ihres „Luni“ vor der Justizvollzugsanstalt Tegel zu demonstrieren. Und mit einem kleinen Konzert den dort inhaftierten Nazirocker zu grüßen. Es sollte einer der größten rechtsextremen Aufmärsche der vergangenen Jahre in Berlin werden. 1.000 Teilnehmer schätzte die Polizei am Samstag, später korrigierte sie die Zahl auf 750.

Die Jungnazis hatten sich schick gemacht: Mehrere Landser- und Lunikoff-Shirt-Träger reihten sich hinter das NPD-Fronttransparent, Kameradschaften aus Sachsen und Brandenburg hatten Parolen gegen „Gummiparagrafen“ und für „Meinungsfreiheit für nationale Sozialisten“ auf ihre Banner gepinselt. Gerne imitierten sie dabei den Style der Antifa. So ließ etwa der Berliner Kameradschaftsblock die Comicfigur Lisa Simpson auf einem Transparent für sich sprechen. Andere Nazis kamen klassischer daher: kahl geschoren mit Pflaster auf der Glatze. Die hatte die Polizei bei Vorkontrollen aufgeklebt, um Tattoos mit verfassungsfeindlichen Symbolen zu verdecken.

Ihren Weg vom S-Bahnhof Tegel bis kurz vor die Haftanstalt Tegel säumten unzählige kleine „Nazis raus“-Schildchen – dekorativ in Hundehaufen gesteckt. Ansonsten war vom Gegenprotest wenig zu sehen. Laut Polizei waren nur rund 600 Menschen dem Aufruf von Antifa-Gruppen, Jusos, WASG und Linkspartei gefolgt – weit entfernt vom Treffpunkt der Nazis. Kurzfristig hatte die Polizei zudem die Gegendemo in eine abgelegene Wohngegend umgeleitet. „Die Route ist totaler Mist, das kommt einem Demoverbot gleich“, monierte ein Gegendemonstrant. Er hätte sich auch mehr Protest gewünscht, aber die zeitlich parallelen Demonstrationen gegen Sozialabbau und den Al-Quds-Tag hätten „einige Aktivisten abgezogen“, so das Antifa-Mitglied.

Die, die es an den Rand des rechten Aufmarsches schafften, quittierten die Parolen der Kahlgeschorenen mit Stinkefingern, Eierwürfen und „Nazis raus“-Sprechchören. Was jene feist grinsend mit „… aus den Knästen“ beantworteten. Passanten schüttelten ihre Köpfe. „Grauenhaft diese Spinner. Was allein dieser ganze Polizeieinsatz kostet“, meckerte eine Anwohnerin.

An der JVA machten es sich die Nazis gemütlich. Eine Mini-Bühne lud zum Konzert, Grillwürste wurden verkauft, NPD-Führungskader schwangen ihre Reden. „Willkommen in der Reichshauptstadt“, begrüßte der Berliner NPD-Vorsitzende Eckart Bräuniger seine „Kameraden“. Der bundesweit auftretende Kameradschaftsführer Torsten Heise lobte seinen „Kumpel“ Michael Regener: „Er hat der deutschen Jugend ihre Hymnen gegeben.“

Auch Udo Voigt, Bundesvorsitzender der NPD, meldete sich zu Wort. Von nun an werde man „von Landtag zu Landtag ziehen, bis wir wieder im deutschen Reichstag sitzen“. Der anwesenden und in Voigts Augen „antinationalen“ Presse drohte er unverhohlen: „Wenn wir an der Macht sind, werdet ihr eure Volksverhetzungsprozesse vor euch haben.“ Auch den Klassiker der NPD-Parolen hatte der 54-Jährige parat – nach drei Jahren nationaler Politik werde es keine arbeitslosen Deutschen mehr geben, versprach Voigt.

Die jungen Rechten wollten hingegen Musik hören. Agitator, Kategorie C und die „nationale Liedermacherin“ Annett waren angekündigt. Zunächst gab es jedoch Probleme mit der Technik. Ein Kamerad habe leider das Mischpult ramponiert, hieß es vor Ort. Auf dem linken Internetportal Indymedia wird hingegen behauptet, ein als Nazi verkleideter Antifaschist habe das Mischpult zerstört und sei deswegen festgenommen worden.

Das erste offene Nazikonzert auf Berliner Straßen konnte das aber auch nicht verhindern. Nur die Polizei versetzte der Party einen Dämpfer: Sie nahm Agitator-Sänger „Olli“ fest – wegen Volksverhetzung. Er hatte unter anderem in einem Lied geröhrt: „Ich bin stolz, ein Nazi zu sein.“

Insgesamt gab es laut Polizei 16 Festnahmen wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Volksverhetzung. Wie viel der Verhafteten für beziehungsweise gegen die Nazis demonstriert hatten, wollte die Polizei gestern nicht sagen. Die Beamten waren dennoch glücklich: „Es hat keine Ausschreitungen gegeben wie befürchtet. Wir sind sehr zufrieden“, so eine Polizeisprecherin.