Renaissance des braunen Klimakillers

Allen Klimaschutzzielen zum Trotz feiert der schädlichste Energieträger ein Comeback: Gleich drei Energiekonzerne kündigen an, die Nutzung von Braunkohle auszubauen. Dank verschenkter CO2-Zertifikate durch die Regierung rechnen sich die Projekte

„Die Verstromung der Braunkohle rechnet sich trotz der Kosten für CO2-Zertifikate“

VON NICK REIMER

Renaissance der deutschen Braunkohle: Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft MIBRAG will ab 2007 einen neuen Tagebau im Landkreis Aschersleben-Staßfurt erschließen. Das Fördergebiet liegt zwischen Magdeburg und Halle im Land Sachsen-Anhalt. Zeitgleich wird auch der Braunkohlekonzern Vattenfall den eigentlich schon stillgelegten Tagebau Reichwalde in Ostsachsen für 300 Millionen Euro reaktivieren. Er soll ab 2010 wieder Kohle liefern.

Der größte deutsche Braunkohleverstromer RWE baut schließlich seit September ein neues Braunkohlekraftwerk am Niederrhein. Ab Ende 2009 wird RWE Power den klimafeindlichsten Energieträger in einer 2.200-Megawatt-Anlage verbrennen. Umweltschützer haben ausgerechnet, dass allein dieses Kraftwerk pro Stunde 1.800 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen wird.

Derzeit werden 25 Prozent des deutschen Stroms aus der Verbrennung von Braunkohle gewonnen. Allerdings hat dieser Rohstoff wesentlich weniger Energie gespeichert als beispielsweise Steinkohle. Was Braunkohle zu einem klimatechnisch problematischen Rohstoff macht: Selbst das modernste Braunkohle-Kraftwerk stößt im Vergleich zu Gaskraftwerken doppelt so viel Kohlendioxid aus – statt 370 Gramm CO2 pro Kilowattstunde mehr als 800 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Braunkohlekraftwerke erreichen auch mit modernster Technik nur einen Wirkungsgrad von 43 Prozent, das heißt 57 Prozent der Energie gehen ungenutzt durch den Schornstein verloren. Demgegenüber weisen Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung einen Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent auf. Greenpeace urteilt denn auch: „Braunkohle ist Gift für das Klima.“ Doch das hält die Energiekonzerne nicht von einem weiteren Abbau ab, denn die Reserven sind noch beträchtlich. „Die Lagerstätte in der Egelner Südmulde gehört mit etwa einer Milliarde Tonne Braunkohle zu den größten zusammenhängenden Vorkommen“, begründet Andreas Günther, MIBRAG-Abteilungsdirektor Technische Planung die Konzernpläne in Sachsen-Anhalt. Auch wenn das Projekt erst am Anfang steht, nennt die MIBRAG – Deutschlands kleinster Braunkohleverstromer – schon Betriebszahlen: Man könne sich vorstellen, mit etwa 1.000 Beschäftigten jährlich 15 bis 20 Millionen Tonnen Braunkohle zu fördern und einen Teil der Kohle in einem neuen Kraftwerk vor Ort zu nutzen. Dafür müsste in der Egelner Südmulde auch ein neues Braunkohlekraftwerk errichtet werden.

Selbst die drohenden Kosten durch den Handel mit Emissionsrechten scheint die Energiekonzerne nicht zu schrecken. Weil die Bundesregierung die CO2-Zertifikate derzeit an die Industrie verschenkt, spielen die klimaschädlichen Wirkungen der Braunkohle für die Pläne der Erzeuger keine Rolle. „Nach unserer Kalkulation rechnet sich die Verstromung der Braunkohle auch unter voller Einpreisung der Zertifikate“, sagte Vattenfall-Sprecher Markus Füller der taz.

„Braunkohletagebaue zu erschließen ist ein sehr langfristiger Prozess“, sagt Markus Füller. So würde allein die technische Wiedereinrichtung des Tagebaus Reichwalde drei Jahre in Anspruch nehmen. Bis 1999 waren gigantische Förderbrücken wie die F 60 im Einsatz, ein 2.500- Tonnen-Koloss, der schließlich bis 2005 demontiert und nach Kolumbien verkauft wurde. Nun muss der Tagebau Reichwalde neu ausgerüstet werden. Füller: „Ziel ist, 10 Millionen Tonnen Kohle jährlich zu gewinnen.“

Daneben will Vattenfall – der zweitgrößte heimische Braunkohleverstromer – den Tagebau Cottbus-Nord weiter ausbauen. „Wir beginnen jetzt mit den Planungen, damit wir etwa 2015 eine Genehmigung erzielen können“, so Füller. Eine Prognos-Studie hatte im Frühjahr Braunkohle „als bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Lausitz und in Mitteldeutschland“ bezeichnet. Reinhardt Hassa, Vattenfall-Vorstand und Auftraggeber der Studie, nutzte das Ergebnis, um „unsere Planungen zum Bau eines weiteren Kraftwerksblocks in Boxberg“ zu bekräftigen.