: Michelles Eltern müssen ins Gefängnis
Verurteilung rechtskräftig: Siebenfache Eltern aus Hamburg kommen wegen tödlicher Kindesmisshandlung für drei Jahre in Haft. Fünf ihrer Kinder leben im Heim. Das jüngste wurde von einer Pflegefamilie aufgenommen
Die Eltern der schwer misshandelten Michelle müssen ins Gefängnis. Ihre Verurteilung ist jetzt rechtskräftig geworden. Der Bundesgerichtshof hat die Revision als unbegründet verworfen. In den kommenden Tagen schickt die Staatsanwaltschaft die Ladung zum Haftantritt. Fünf der sechs überlebenden Kinder der Familie leben in einem Heim, das jüngste, das erst nach Michelles Tod auf die Welt kam, bei einer Pflegefamilie.
Die zweijährige Michelle war im August 2004 nach schwerer Vernachlässigung infolge einer Erkrankung gestorben. Als ihre Eltern im Februar zu drei Jahren Haft verurteilt wurden, saß Mutter Nicole G. mit dickem Schwangerschaftsbauch im Landgericht. Mit dem neuen Kind wollten die Eltern einen Neuanfang versuchen.
Doch das Jugendamt hatte sich lange genug vorhalten lassen müssen, die katastrophalen Lebensbedingungen der Kinder übersehen zu haben: Es gab das Neugeborene gleich nach der Geburt in eine Pflegefamilie. So steht auch dem Haftantritt der Eltern nichts mehr im Wege.
Der Fall der kleinen Michelle weist erschreckende Parallelen zum Tod des zweijährigen Kevin aus Bremen auf. Denn auch im Falle von Michelle war den Behörden der schlimme Zustand der Wohnung bekannt – und wie bei Kevin war das nicht Anlass genug zum Durchgreifen.
Zwar wurde die Familie von Michelle sogar vom Amt für soziale Dienste betreut. Mehrmals die Woche war eine Familienhelferin in der Wohnung. Die aber saß offenbar nur mit der Mutter im Wohnzimmer und bemerkte nicht, dass die Kinderzimmertüren vor lauter Müll kaum mehr zu öffnen waren. An den Wänden klebte Kot, überall schwirrte Ungeziefer herum. Die Psychologin des Kinderheims stellte bei allen fünf Kindern Entwicklungsverzögerungen fest. Die Sozialarbeiter in der Wohnung hatten das nicht bemerkt.
Gegen drei Mitarbeiter der freien Familienhilfeträger sowie des Jugendamtes ermittelt seither die Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung durch Unterlassen. Ob gegen sie Anklage erhoben wird, kann Sprecher Rüdiger Bagger noch nicht sagen. Die Bearbeiter hätten die Ermittlungen womöglich bis zur Rechtskraft der Verurteilung der Eltern zurückgestellt.
Der 28-jährigen Mutter hatte das Gericht im Prozess zugute gehalten, dass sie mit ihren damals sechs Kindern überfordert war. Die ihr angebotene Hilfe hatte sie nicht als Unterstützung, sondern als Bevormundung empfunden. ELKE SPANNER