: NPD blockieren
Die NPD will durch Kreuzberg und Neukölln marschieren und gegen das „multikulturelle Ärgernis“ protestieren – eine Provokation für die Bewohner*innen
Das Bündnis Berlin Nazifrei kündigt Blockaden an. Für alle, die gegen die NPD protestieren wollen, sind aktuell drei Treffpunkte bekannt.
■ Samstag 26. April
➤ 10 Uhr Moritzplatz (Anlaufpunkt für alle Menschen aus Kreuzberg)
➤ 10 Uhr U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße (Anlaufpunkt für alle Bezirke außer Kreuzberg und Neukölln)
➤ 10 Uhr U-Bahnhof Herrmannplatz (Anlaufpunkt für alle Menschen aus Neukölln)
Orte und Zeiten können sich ändern. Aktuelle Informationen gibt es online: www.nazifrei.berlin
Als könnte man die Uhr danach stellen. Pünktlich zu den Feierlichkeiten um den 1. Mai will die Berliner NPD auf der Straße marschieren. Dieses Jahr sollen gleich zwei Demonstrationen stattfinden: Am 26. April wollen die Rechtsextremisten ab 12 Uhr vom Moritzplatz aus durch Kreuzberg ziehen. Am 1. Mai soll es ab 11 Uhr vom S-Bahnhof Neukölln aus durch den Süden Neuköllns gehen. Auf beiden Veranstaltungen will die NPD gegen die Flüchtlinge in der Stadt Stimmung machen. So wollen die Rechtsextremisten in Kreuzberg an den beiden zentralen Orten des Flüchtlingsprotests in Berlin vorbeiziehen, dem ehemaligen Protestcamp auf dem Oranienplatz und der besetzten Schule in der Ohlauer Straße. Der Aufzug durch Neukölln soll an einer Flüchtlingsunterkunft enden.
Schon in den vergangenen Jahren haben Berliner Neonazis wiederholt versucht, den 1. Mai für ihre Zwecke zu nutzen. 2013 zogen sie durch Schöneweide, das Jahr davor gab es einen Umzug im Kleinbus durch Marzahn. Jedes mal kamen viele Menschen, um sich den Neonazis in den Weg zu stellen. Rund Zehntausend waren es am 1. Mai 2010 in Prenzlauer Berg. Damals mussten die Rechtsextremisten bereits nach wenigen hundert Metern wieder umdrehen. Der letzte Aufmarschversuch in Kreuzberg im Jahre 2011 fand schon nach wenigen Metern ein Ende. Mit Sitzblockaden wurden die Neonazis am Weitermarschieren gehindert.
Auch in diesem Jahr will man wieder alles daran setzen, der NPD und ihrem Anhang die Tour gründlich zu vermasseln. Unter dem Motto „Racism not welcome anywhere!“ mobilisiert das Bündnis Berlin nazifrei für beide Tage zu Massenblockaden. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss aus Antifagruppen, Parteien und Gewerkschaften. Wie Nathan Kaiser von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) sagt, wird es unterschiedliche Möglichkeiten geben, die Aufmärsche zu verhindern, „von ganz friedlich bis hin zur Umgestaltung des öffentlichen Raums“. Ferner sagt der Aktivist: „Jeglicher menschenverachtenden Hetze der Nazis muss begegnet werden. Nicht nur am 1. Mai – aber an diesem Datum natürlich besonders.“
Auch Projekte und Initiativen aus Kreuzberg wollen sich an dem Protest beteiligen. „Die NPD will ihre menschenverachtenden Ansichten auf die Straße bringen, wir machen da nicht mit“, sagen die Aktivist*innen der Stadtteilinitiative Café Reiche. Sie haben in den letzten Tagen Flugblätter verteilt. Ihre Solidarität gilt den Flüchtlingen und den Roma-Familien aus der besetzten Schule in ihrem Kiez. Man wolle klar signalisieren, dass die Besetzer*innen als Nachbar*innen sehr willkommen sind, sagen sie. Darüber hinaus wollen sie aber auch denjenigen die Stirn bieten, die den Nazis insgeheim Beifall klatschen. Die Gesellschaft sei in den letzten Jahren mehr nach rechts gerutscht. Die Gruppe hofft, mit ihrer Arbeit, dieser Tendenz entgegen zu wirken. Die Stadtteilinitiative unterstützt Menschen, die von Mieterhöhungen und Vertreibung betroffen sind.
Das Gartenprojekt Prinzessinnengärten solidarisiert sich ebenfalls mit den Flüchtlingen, deren Protest es in den vergangenen anderthalb Jahren unterstützt hat. Falls die Nazis tatsächlich wieder zum Moritzplatz kommen sollten, wolle man ihnen auf einem Transparent außen am Garten sagen, was man von ihnen halte, sagt Julia vom Gartenprojekt. Auch werde man auf dem Moritzplatz Präsenz zeigen – friedlich, mit einem Becher Kaffee. Schließlich habe das beim letzten Mal auch geholfen. Den Nazis die kalte Schulter zu zeigen, kommt für das Projekt nicht in Frage: „Nichts zu sagen kann schnell als Gleichgültigkeit verstanden werden und das ist so ziemlich das Letzte, was wir wollen“, sagt Julia.
Die Mieter_innen-Initiative Kotti & Co gibt zu bedenken, dass man bei Miniaktionen der Nazis diese nicht mit dem eigenen Gegenprotest aufwerten sollte. Wenn es lediglich eine handvoll Nazis seien, die nach Kreuzberg kommen, sollte man sie einfach links liegen lassen. Für die Initiative sind die Rechtsextremisten auch nur die Spitze des Eisbergs: „Rassismus ist leider nach wie vor sehr weit in der Gesellschaft verbreitet, ob nun auf dem Wohnungsmarkt, beim Jobcenter oder auf den Ämtern. Rassismus ist so oder so bei uns ein Thema, weil viele Mitstreiter*innen davon betroffen sind.“ Da müsse man ansetzen. Trotzdem wird sich Kotti & Co an den Protesten selbstverständlich beteiligen. Für die Mieter*innen-Initiative ist klar, warum die NPD durch Kreuzberg ziehen will: „Kreuzberg steht für ein anderes Deutschland – eines der Geschichte der Migration und Diversität. Das passt den Nazis nicht“, sagen sie.
LUKAS DUBRO