: Attacken auf die „grüne Patin“
POLIT-BASHING Der Wahlkampf hat schon begonnen: FDP und „B.Z.“ kritisieren die Grünen für Mietgarantien in einem Kreuzberger Wohnhaus. Die basieren auf einem Vertrag von 1990
FRANZISKA EICHSTÄDT-BOHLIG (GRÜNE)
VON PETER NOWAK
„Grüne Klientelpolitik in Kreuzberg auf Kosten der Steuerzahler“, so lautet der Titel einer kleinen Anfrage, die der FDP-Abgeordnete Sebastian Czaja gestellt hat. Es geht um das Wohnhaus in der Reichenberger Straße 63a, mit dessen Bewohnern die damalige Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) im Jahr 1990 Verträge abgeschlossen hat, die ihnen günstige Mieten garantieren. Der Hauseigentümer, die Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K), erhält allerdings die ortsübliche Miete. Für die Differenz kommt das Bezirksamt auf.
Der seit 20 Jahren bekannte Vertrag dient FDP und B.Z. jetzt als Munition im Vorwahlkampf: Ihm werde angst und bange bei dem Gedanken, dass die Grünen nach einem Wahlsieg vielleicht schon 2011 über den gesamten Berliner Landeshaushalt bestimmen könnten, erklärt Czaja dem Springerblatt. Und für B.Z.-Kommentator Gunnar Schupelius ist Eichstädt-Bohlig die „Patin der Hausbesetzer“.
„Ich stehe noch heute dazu“, erklärt die Grünen-Politikerin gegenüber der taz. Die Durchsetzung einer behutsamen Stadterneuerung habe ihren politischen und beruflichen Werdegang bestimmt. Diese Politik sei auch mit dem damaligen Senat abgestimmt gewesen. „Es ging in Kreuzberg darum, Umsetzwohnungen für Menschen aus Sanierungsgebieten zu schaffen und Konflikte mit HausbesetzerInnen zu befrieden.“ Diesem Ziel habe auch der mit den BewohnerInnen der Reichenberger 63a geschlossene Mietvertrag gedient. Allerdings habe sie nur bis 1990 als Baustadträtin amtiert – für die Zeit danach könne sie nicht sprechen, betonte die Politikerin.
Moderate Mieterhöhung
Der Sprecher der Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, Daniel Wesener, bestätigte gegenüber der taz, dass nach einer kürzlich getroffenen Gerichtsentscheidung die mit dem Verein „Trottke e. V.“ abgeschlossenen Verträge für das Hinterhaus der Reichenberger 63a gültig sind und nicht einseitig gekündigt werden können. Dort ist eine günstige Miete bis 2020 festgeschrieben. Die werde aber nicht zu halten sein, so Wesener. „Wir haben den jetzigen MieterInnen deutlich gemacht, dass es angesichts des absehbaren Wegfalls der Fördermittel nicht bei der derzeitigen durchschnittlichen Miethöhe von 3,31 Euro pro Quadratmeter bleiben kann. Eine moderate Erhöhung muss drin sein, sonst geht die niedrige Miete für die BewohnerInnen mittelfristig zu Lasten anderer sozialen Leistungen.“ Nach der beabsichtigten Erhöhung würden sich die Mieten zwischen 3,21 und 4,54 Euro pro Quadratmeter bewegen. Es habe bei Gesprächen mit den MieterInnen Anzeichen von Entgegenkommen gegeben, so Wesener.
„Wir setzen weiter auf eine einvernehmliche Lösung und kämpfen sowohl gegen die populistische Stimmungsmache der B.Z. als auch gegen Mieterhöhungen von bis zu 25 Prozent“, erklärt Benno Cors, der in der Reichenberger Straße 63a wohnt. „Würde die Subventionierung durch den Bezirk wegfallen, müssten die meisten von uns wegziehen“, befürchtet Cors und präsentiert einen anderen Lösungsvorschlag zum Defizitausgleich: „Wenn der Eigentümer weniger Geld bekommen würde, wäre die Subventionierung unserer Miete nicht mehr nötig.“