: Die Herbstdepression
BenQ und Bayer sind erst der Anfang: Trotz Wirtschaftsaufschwung droht dem Land NRW der Verlust von tausenden Arbeitsplätzen. Forscher rechnen mit Jobabbau vor allem in der Automobilbranche
VON ANNIKA JOERESUND MARTIN TEIGELER
Trotz Wirtschaftswachstum wird NRW arbeitslos. Nach dem Verlust von 1.200 Jobs bei der Handyfirma BenQ und dem angekündigtem Personalabbau bei Bayer (siehe Kasten) drohen dem Bundesland weitere Stellenkürzungen. „In Nordrhein-Westfalen befinden sich einige Branchen weiter in Anpassungsprozessen“, sagt Roland Döhrn vom Essener Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Als Beispiele nennt der Ökonom die chemische Industrie und den Automobilbau.
Ferdinand Dudenhöffer, Automarktexperte an der Fachhochschule Gelsenkirchen, rechnet im kommenden Jahrzehnt mit „10.000 plus X“ weniger Arbeitsplätzen in der Branche. Jüngstes Beispiel: Der Stahlkonzern ThyssenKrupp trennte sich vergangene Woche im Zuge der Neuausrichtung der Autozuliefersparte von seinem Karosserie- und Fahrwerksgeschäft in Nordamerika. „Da werden nicht nur Jobs in den USA verloren gehen, sondern auch hierzulande“, sagt Dudenhöffer. Als weiteren Kandidaten für mögliche Massenentlassungen führt der Forscher das seit Jahren kriselnde Opel-Werk in Bochum an.
Generell müssen Angestellte von großen Konzernen als erste um ihre Zukunft bangen, sagt Matthias Knuth vom Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik. „Dort geht die Spirale immer weiter nach unten.“ Auch Dienstleister wie Versicherungen würden in Zukunft Menschen entlassen müssen: Viele KundInnen würden sich zukünftig über das Internet versichern, BeraterInnen dadurch ihre Jobs verlieren. „Gewinnen wird die Gesundheitswirtschaft“, so der Wissenschaftler. Kleine Firmen wie Fitnessstudios und Wellnesseinrichtungen hätten Zukunft.
Den Niedergang einer Branche kann die NRW-Landespolitik jedoch nur sozialpolitisch abmildern. Nach taz-Informationen hat sich das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium wie im Fall BenQ auch bei Bayer eingeschaltet. „Unsere Experten haben Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen“, sagt ein Sprecher von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Doch aufhalten kann die Politik den ökonomischen Trend nicht: Durch Rationalisierungen, Umstrukturierungen, Verkäufe und Pleiten sind im letzten Jahrzehnt mehr als 200.000 Vollzeitarbeitsplätze in NRW verloren gegangen.