HANNES KOCH ÜBER DEN G-20-GIPFEL VON SEOUL : Trotz allem eine neue Welt
Ansätze einer neuen Weltwirtschaftsordnung zeichneten sich beim G-20-Gipfel ab, der am Freitag in Südkoreas Hauptstadt Seoul zu Ende ging. Dies betraf nicht den Entwurf großer Theorien, sondern die schlichte Praxis des Zuhörens und die Bereitschaft, auf die Interessen der Gesprächspartner einzugehen. Dabei haben die Regierungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen tatsächlich ein paar Fortschritte gemacht.
Der G-20-Gipfel von Seoul war ein Versuch, eine koordinierte Weltwirtschaftspolitik unter neuen Bedingungen einzuführen. Die Hegemonie der alten Industriestaaten des Westens und Nordens ist vorbei. Um die Finanzkrise zu bewältigen, mussten diese die neuen Mächte des Südens einladen – unter anderem China, Indien, Indonesien, Brasilien. In diesem neuen Kreis ist über Kernprobleme der globalen Wirtschaftspolitik noch nie eingehend verhandelt worden. In Seoul war es so weit. Die Exportüberschüsse von Deutschland und Japan standen ebenso zur Disposition wie Währungsmanipulationen Chinas und der USA. Und man schloss Kompromisse.
In jedem Fall muss auch Deutschland sich bewegen. Das alte Modell des Exportweltmeisters wird nicht mehr so gut funktionieren wie früher. Deutsche Maschinen und Fahrzeuge werden zwar überall gerne gekauft, aber andere Staaten stellen den Anspruch, dass Deutschland als Gegenleistung auch mehr Waren importiert. Bisher sind dies nur Frankreich und die USA, weitere Länder werden sich aber bald anschließen. Deshalb wird sich die Hoffnung der Bundesregierung, der lästigen Debatte und Veränderung ausweichen zu können, nicht erfüllen. Das muss überhaupt kein Schaden sein: Die inzwischen oft genug dürftige deutsche Daten-, Strom- und Verkehrsinfrastruktur könnte eine Renovierung durchaus vertragen – gern auch mit Importteilen.
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