: Vom Lohn muss man leben können
betr.: „DGB: Umarmen und abgrenzen“
Ich bin absolut wütend über den Kommentar von Hannes Koch heute auf der ersten Seite, den ich nur so verstehen kann, dass damit die Demonstrationen des DGB als nicht unterstützungswürdig dargestellt werden.
Der DGB hat vollkommen recht damit, den Kündigungsschutz hochzuhalten, genau so wie es die französische Bewegung zum Erhalt des Kündigungsschutzes getan hat, die von der taz seinerzeit nicht gerade als Privilegien-Wahrer denunziert wurde – warum dann in Deutschland? Es ist mir kein Land bekannt, in dem die Lockerung von Kündigungsschutz mehr Stellen gebracht hätte. Auch in Deutschland nicht, wo ja schon einmal (unter Kohl) am Kündigungsschutz gedreht wurde. Jedem, der mal einen Betrieb von innen gesehen hat, ist doch klar: Abbau des Kündigungsschutzes hilft, die Kranken, Angeschlagenen, familiär Belasteten und Älteren sowie die gewerkschaftlich Aktiven loszuwerden und ihnen ein sehr unflexibles Dasein als Langzeitarbeitslose zu bescheren – die Arbeitgeber warten nur darauf! Einstellungen für Jugendliche und Arbeitslose erreicht man viel besser, indem man die Möglichkeit, in Rente oder Altersteilzeit zu gehen – vor dem 67. Jahr – verbessert, die Regierung tut das Gegenteil.
Zum Thema Mindestlöhne gibt es eine Riesenzahl von Untersuchungen, die beweisen, dass Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit nicht erhöhen, im Gegenteil. Gesetzliche Mindestlöhne sind in Europa um uns herum gang und gäbe – und zwar viele in der Höhe von 7 bis 9 Euro (Frankreich, Benelux, Großbritannien, Irland). Das geht also! – und zwar nicht nach Branchen differenziert, sondern orientiert an dem Gesichtspunkt: Von einem Lohn muss man auch leben können. Klar ist doch: Einen ordentlichen Tariflohn erreicht man dann, wenn die Beschäftigten streikfähig sind, und das ist z. B. mit Verleihfirmen und Branchen mit Hire-and-fire-Gepflogenheiten nicht so einfach.
GERTRUD MOLL, Stuttgart