Der Herr der Lüfte: KOMMENTAR von CHRISTIAN RATH
Bundespräsident Köhler hat eine wichtige Debatte angestoßen: Welche Aufgaben muss der Staat selbst erledigen, und was kann er auf private Unternehmen delegieren? Gestern hat Horst Köhler die vom Bundestag bereits beschlossene Privatisierung der Flugsicherung gestoppt, weil sie dem Geist des Grundgesetzes widerspricht.
Köhler hat damit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Frage nach den Aufgaben des Staates im Grundgesetz beantwortet ist. Und es ist gut, dass er interveniert, wenn der Bundestag die Verfassung wie im Fall der Flugsicherung hemdsärmlig missachtet.
Vor einem Verkauf der Flugsicherungs GmbH an private Investoren muss nun also zumindest die Verfassung mit Zweidrittelmehrheit geändert werden. Dabei werden auch weitergehende Fragen auftauchen. Darf der Staat die Schaffung von Sicherheit überhaupt aus der Hand geben? Müsste nicht das Bundesverfassungsgericht eine Grundgesetzänderung verhindern, die die Grundlagen des sozialen Rechtsstaats aufgibt?
Diese Fragen sind berechtigt, und sie müssen ergebnisoffen diskutiert werden können. Denn die Flugsicherung ist nicht die Polizei: Sie regelt zwar äußerst gefahrenträchtige Vorgänge und muss daher unbedingt auf einem hohen Niveau funktionieren. Aber es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Staat diese Aufgabe auch selbst durchführt. Auch in der Steuerwarte von Kernkraftwerken sitzen keine Staatsbediensteten, sondern Angestellte der teilweise privaten Energiekonzerne. Diese Angestellten werden vom Staat nur beaufsichtigt – so wie es bei der Flugsicherung auch geplant ist.
Dass der Staat nicht automatisch für mehr Sicherheit im Flugverkehr steht, hat im Übrigen zuletzt auch der Flugzeugabsturz in Überlingen gezeigt, bei dem 2002 mehr als 70 Menschen starben. Dieser Unfall wurde von der bundeseigenen Schweizer Flugsicherung Skyguide verursacht, wobei ein Fluglotse allein auf Nachtschicht war und wichtige Warngeräte zur Wartung abgeschaltet waren. Auch der Staat spart manchmal an der falschen Stelle – nicht nur private Investoren.
Eine Privatisierung der Flugsicherung müsste daher weiterhin möglich sein. Notwendig ist sie aber nicht.
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