: Kann die Gegner mächtig nerven
BASKETBALL Man darf Akeem Vargas als Shootingstar bei Alba Berlin bezeichnen. Dass das Team so sicher in der Saison steht, ist auch dem bissigen Verteidiger zu verdanken. Heute Abend geht es gegen Trier
Skepsis. Das war das vorherrschende Gefühl bei Alba Berlin vor dieser Saison. Denn man hatte den großen Umbruch beim achtfachen deutschen Basketball-Meister gewagt – abgesehen von Kapitän Sven Schultze tauschte Alba das komplette Team aus. Die enttäuschende Vorsaison war schuld daran: Schon im Viertelfinale war man gegen Bayern München rausgeflogen.
Alles auf Anfang also. Zwölf neue Spieler kamen. Einer von ihnen: Akeem Vargas. Akeem wer? Das wird sich so mancher gefragt haben. Denn der 23-Jährige, der auf der Position des Guard spielt, war bis dahin nur Experten ein Begriff. „Ich hatte ihn gar nicht auf dem Schirm“, sagte auch Sven Schultze über Vargas, der vom Zweitligisten Göttingen kam und dort in der Liga zum „Youngster des Jahres“ gewählt wurde.
Mittlerweile kennt den 1,92 Meter großen Akeem Vargas die ganze Erste Liga. Der Shootingstar nahm schnell einen festen Platz in der Team-Rotation bei Alba ein. Inzwischen steht der Sohn einer deutschen Mutter und eines US-amerikanischen Vaters gar häufiger in der Starting Five. „Mich zwicken muss ich mich zwar nicht, aber früher hab ich die alle nur im Fernsehen gesehen, jetzt spiele ich mit ihnen zusammen. Das macht mich sehr stolz“, sagt Vargas.
Für seinen Durchbruch hat er aber auch einiges getan. Im Sommer vergangenen Jahres kam er extra früher nach Berlin für zusätzliche Trainingseinheiten. Auch jetzt legt er noch die eine oder andere Zusatzeinheit hin. „Ein wenig mehr als die alten Hasen“, sagt er schmunzelnd. Akeem Vargas ist ehrgeizig. „Er hat diesen Hunger“, sagt Manager Marco Baldi. Im Moment macht der in den USA geborene Vargas 4 Punkte und holt 2,7 Rebounds pro Spiel – eine noch ausbaufähige Quote. Zum Vergleich: Der zweitbeste Alba-Werfer Reggie Redding kommt auf 12,2 Punkte und 4,2 Rebounds im Schnitt.
Und doch steht Vargas pars pro toto für die erfolgreiche Saison, die Alba spielt – kurz vor den am 10. Mai beginnenden Play-offs ist Alba Tabellendritter und hat bereits den BBL-Pokal (vergleichbar mit dem DFB-Pokal im Fußball) gewonnen. Vargas’ Stärken liegen mehr in der Defensivarbeit – und eine harte und intensive Verteidigung zeichnet auch Alba in dieser Saison aus. „Er ist einer der besten Verteidiger der Liga“, sagt sein Coach Sasa Obradovic. In der entscheidenden Saisonphase baut Obradovic auf ihn: Zunächst spielt Alba am heutigen Freitag in Trier, ehe man am Sonntag gegen Würzburg (17 Uhr) und am Donnerstag gegen Frankfurt (15 Uhr) zu den letzten Heimspielen der Hauptrunde antritt.
Vargas spielt immer am Limit – unangenehm für jeden Gegenspieler. „Er ist klebrig und nervt einfach nur, wenn er seinem Gegenspieler Nase an Nase steht“, so Manager Baldi. „Aber so ein Spieler tut jedem Team gut.“ Schon bei einigen Kontrahenten brannten die Sicherungen durch – sie begingen Tätlichkeiten und wurden vom Spiel suspendiert. Normalerweise kommt das im Basketball nur äußerst selten vor.
Vargas provoziert gern seine Gegenspieler und fragt sie dann schon mal, wann er denn endlich anfangen müsse zu verteidigen. „Das gehört zu meinem Spiel dazu. Ich beleidige aber niemanden“, betont er.
Auch Unruhestifter
Seine Spielweise rief bereits gegnerische Trainer auf den Plan, die sich über den Provokateur beschwerten. Die Folge: Die Schiedsrichter hatten den Unruhestifter mehr im Blick – und entschieden schon mal eher zu seinen Ungunsten. „Aber das gehört zum Lernprozess dazu“, findet Manager Baldi.
Sowenig sich Vargas von den Entscheidungen gegen ihn beeindrucken lässt, so wenig lässt sich auch Alba in dieser Spielzeit aus dem Konzept bringen. Selbst in Rückstand bleibt das Team seiner Linie treu, die sich vor allem durch ein gutes Teamplay auszeichnet. Das Punktesammeln verteilt sich auf viele Köpfe. Weg von den Einzelkönnern, hin zum Kollektiv. Und das runderneuerte Team hat sich überraschend schnell gefunden. „Die Chemie zwischen jung und alt stimmt. Jeder junge Spieler hat ein bis zwei Ältere, zu denen er aufblicken kann“, sagt Vargas.
Während es Talente in früheren Jahren bei Alba schwer hatten, ändert sich dies langsam. Durch die Einführung der Quotenregelung in der Liga – seit 2012 müssen bei einem Kader von zwölf Spielern immer mindestens sechs Deutsche nominiert sein – wurde Alba auch ein wenig zur Talentförderung gezwungen. Für Vargas und für Alba ein Glücksfall. „Ihn zeichnet schon jetzt eine große Eigenverantwortung aus“, so Baldi.
Für Vargas könnte es die perfekte erste Saison in Berlin werden. Denn noch können Vargas und Alba viel erreichen. Sollten die Berliner als Dritter in die Play-offs gehen, würde das einen Vorteil in den Viertelfinal-Play-offs bedeuten: Käme es zum entscheidenden fünften Spiel, hätte man Heimrecht. Von der Meisterschaft redet zwar in Berlin noch niemand, aber möglich ist mit diesem Alba-Team derzeit alles. NICOLAS SOWA