: „Ich werde bewacht und observiert“
KUBA Laura Pollán von den „Damas de Blanco“ über ihren Kampf für die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Weigerung ihres inhaftierten Mannes, eine „bedingte Freilassung“ zu akzeptieren
■ Die pensionierte Lehrerin, 63, ist Sprecherin der Damen in Weiß. Ihr Ehemann, Héctor Maseda Gutiérrez, sitzt als Dissident seit März 2003 im Knast.
INTERVIEW KNUT HENKEL
taz: Frau Pollán, in den kommenden Tagen könnte Ihr Mann nach über sieben Jahren Haft entlassen werden. Haben Sie Nachricht von der Kirche, wann das sein könnte?
Laura Pollán: Nein, es gibt keine konkreten Informationen, aber wir hoffen jeden Tag, dass es so weit sein könnte, denn schließlich ist mittlerweile mit Arnaldo Ramos der erste der letzten dreizehn politischen Gefangenen, die nicht die Insel verlassen wollen, freigelassen worden. Ich glaube, dass Kuba letztlich das Abkommen mit der Kirche und Spanien erfüllen wird, und freue mich auf meinen Mann.
Werden sich die Damas de Blanco, die Frauen in Weiß, auflösen, wenn der letzte politische Gefangene aus der „Gruppe der 75“ wieder auf freiem Fuß ist?
Nein, wir werden weiter kämpfen. Zum einen sind noch ein Dutzend Gefangene aus der Gruppe der 75 entgegen den Ankündigungen der kubanischen Regierung in Haft. Eigentlich hätten sie Anfang November freigelassen werden müssen, so war es zwischen der katholischen Kirche, der spanischen und der kubanischen Regierung vereinbart worden. Zum andern haben die „Frauen in Weiß“ schon vor Jahren beschlossen, dass wir so lange weitermachen werden, bis alle politischen Gefangenen in Kuba aus den Gefängnissen entlassen sind. Es gibt rund fünfzig bis sechzig weitere politische Gefangene, die pazifistisch für ihre Rechte eintreten. Wir werden also gemeinsam mit den Frauen, die uns unterstützen, unsere Märsche fortsetzen und jeden Sonntag in Kuba auf den Straßen zu sehen sein.
Wie ist die Situation derzeit in Kuba? Sehen Sie Fortschritte?
Die Situation ist schwierig, denn die ökonomische Krise ist allerorten spürbar. Ansonsten hat sich wenig geändert. Ich werde seit vielen Jahren rund um die Uhr bewacht und observiert. Daran hat sich nichts geändert. Und selbst wenn die Regierung alle politischen Gefangenen freilassen sollte, ist das grundsätzliche Problem nicht gelöst. Solange sich die Gesetze nicht ändern, können sich die Gefängnisse schnell wieder füllen. Wir brauchen eine Änderung der Gesetze, um unsere Meinung in Kuba offen sagen zu können.
Ihr Mann gehört zu den letzten zwölf politischen Gefangenen der „Gruppe der 75“. Die haben sich geweigert auszureisen. Welche Status werden sie in Kuba haben – werden sie begnadigt werden?
Das wissen wir nicht, mein Mann hat gesagt, dass er das Gefängnis nur als freier Mann verlassen will. Er will nicht die Zelle mit der Wohnung tauschen. Das ist faktisch der Fall, wenn er eine „bedingte Freilassung“ aus humanitären Gründen akzeptieren würde, wie es andere vor ihm getan haben. Das ist keine Begnadigung, sondern das Verbüßen der ursprünglichen Haftstrafe in den eigenen vier Wänden, und das will mein Mann nicht akzeptieren.
■ Seit April 2003 demonstrieren die „Damas de Blanco“, die Frauen in Weiß, wöchentlich in Havanna für die Freilassung ihrer Männer und aller politischen Gefangenen in Kuba. Einen Monate zuvor waren 75 Dissidenten verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Sie haben die Abschiebepraxis der entlassenen Häftlinge als Verbannung bezeichnet. Wissen Sie, warum sich die spanische Regierung darauf eingelassen hat?
Ich glaube, dass die spanische Regierung die Aufnahme der Gefangenen angeboten hat, weil die Lebensbedingungen in Kuba sehr schwierig sind. Und die kubanische Regierung hat anscheinend kein Interesse, dass die ehemaligen Häftlinge in Kuba unterwegs sind. Es scheint Ängste zu geben, dass sie in der derzeitigen Situation mit all den Entlassungen mehr Unterstützung bekommen könnten. Deshalb ist ihnen ein Exodus lieber als zusätzliche Probleme auf der Insel.
Haben Sie die Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit zu einem Dialog mit der Regierung kommen könnte?
Es gibt keine Bereitschaft zu direkten Gesprächen. Die Kirche ist mit uns im Gespräch über die Freilassung unserer Angehörigen und gibt die Ergebnisse an die Regierung weiter.