: Sparen und verkaufen
Senat grübelt über Folgen des Berlin-Urteils
Der Bremer Senat hat sich gestern erstmals mit der Bedeutung des Verfassungsgerichts-Urteils zur Berliner Klage befasst. Die Experten rund um den parteilosen Finanzsenator Ulrich Nußbaum bewerten die Folgen für das Bremer Verfahren sehr skeptisch, wollen aber keinesfalls die eigene Klage zurückziehen. Allerdings müsse die Begründung angesichts der neuen Rechtslage „ergänzt“ werden, sagte der Bremer Prozessvertreter Johannes Hellermann. Positiv, das machte Nußbaum deutlich, sei die Tatsache, dass Karlsruhe den Begriff der „Haushaltsnotlage“ im Sinne des Bremen-Urteils von 1992 bestätigt habe. Länder in Haushaltsnotlage, so hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, hätten Anspruch auf Sanierungshilfe – allerdings als „ultima ratio“ . Zugleich wurde angedeutet, dass die Kriterien dafür möglicherweise schärfer zu fassen sind. In dem Berlin-Verfahren wurde das nicht ausgeführt: Der Stadtstaat erfüllte selbst die 1992er-Kriterien nicht. Wegen der nun von der Berliner SPD vorgeschlagenen weitergehenden Sparpolitik steht die geplante Neuauflage der Koalition mit der PDS auf wackeligen Beinen.
Positiv wertet Nußbaum, dass die von anderen Ländern vorgetragene Kritik am Bremer Sanierungskurs als unerheblich zurückgewiesen wurde. Das Thema Länderneugliederung kommt in dem Urteil nicht vor. Allerdings wurde am Beispiel Berlin deutlich, wie streng das Gericht prüft, ob ein Bundesland alles in seiner Macht stehende getan hat, die Krise selbst zu milden. Den Gewerbesteuerhebesatz sprachen die Richter an – der liegt in der Hauptstadt mit 410, allerdings auch in Bremen mit 440 Punkten deutlich unter dem von Hamburg (479 Punkte). Ebenso verwiesen sie darauf, dass Berlin seinen defizitären Wohnungsbestand nicht verkauft hat. Bei Wissenschafts- und Kulturausgaben läge Berlin über Hamburg.
Diese Fragen müsse Bremen nun transparent bearbeiten, betonte Nußbaum, und sich für alle Bereiche, in denen Bremen im Vergleich hohe Ausgaben hat, eine gute Begründung suchen. Das betreffe nicht nur die Gewoba: Auch wenn Hamburg 49 Prozent seiner Hafengesellschaft privatisiere, müsse Bremen erklären, warum das hier kein Mittel der Haushaltssanierung ist. Bei den Ausgaben für Investitionen müsse das Land womöglich noch schneller als geplant auf „Hamburger Niveau“ kommen.
In dem Urteil werde ganz deutlich, dass das Gericht geradezu verärgert sei darüber, dass Bund und Länder die Schuldenproblematik nicht selbst angehen, erklärte der Chef der Senatskanzlei, Hubert Schulte. Das hätten die Ministerpräsidenten verstanden, die im Rahmen der „Föderalismusreform II“ über die Finanzen sprechen wollen. Inhaltlich lägen die Positionen allerdings weit auseinander. kw