kürbisse, bischöfe etc. : Halloween geht voll in Ordnung
„Reiner Konsum“: diverse Bekannte aus dem linksalternativen Milieu. „Überhaupt keine geistliche Idee dahinter“: der Berliner Erzbischof, Kardinal Sterzinsky. „Nervtötender Kinderwahnsinn“: Willi Winkler in der SZ. Halloween hat keinen guten Ruf, zumindest bei den über Zwölfjährigen. Man muss sich aber gar nicht auf die Seite der Kinder schlagen, um das Treiben mit Bonbons und Gespenstern zu verteidigen. Im Ernst: Halloween ist das erste gelingende interkulturelle Fest hierzulande – eine Keimzelle für eine wirklich integrierte Gesellschaft.
Wer jedenfalls das Glück hat, in einem funktionierenden multikulturellen Viertel zu leben, kann sie zu diesem Anlass sehen: Kindergruppen mit „Scream“-Masken oder Mullverbänden, die ihren „Süßes oder Saures“-Spruch aufsagen – deutsch, türkisch, afrikanisch, koreanisch, alles durcheinander. Neulich wurde in einigen Berliner Kitas darüber nachgedacht, das islamische Zuckerfest zu begehen, als Gegengewicht zu Weihnachten. Das haute nicht hin. Aber Halloween haut hin. Niemand, der teilnehmen will, braucht sich ausgeschlossen fühlen. Nur dass es dies Jahr geregnet hat war doof.
Wer gemeinsam feiern will, muss die Zugangsschwellen senken. Und es darf nicht wirklich um etwas gehen. Das sind die zwei Lehren des großen Kürbis. So konsumistisch Weihnachten mittlerweile begangen wird, es gibt noch christliche und romantisch-innige Restbestände, mit denen man aufgewachsen sein muss, um das Fest zu begreifen. Wahrscheinlich ist es für viele Migranten sowieso schwer verständlich, warum die Deutschen einerseits soviel Wert auf dies Familienfest legen, bei dem sie sich andererseits oft nur streiten! Bei Halloween aber reicht es aus, sich eine Maske aufs Gesicht zu setzen, und schon kann man dabei sein; vorbereitende Besuche bei Scherzartikelläden und nachträgliches gemeinsames Bonbonlutschen inklusive. Dass das Ganze etwas mit wirklichem Geisterglauben zu tun hat, haben die Bischöfe, die das gerade behaupten, exklusiv. Es als Wiederaufleben irischer Traditionen zu werten, ist auch Quatsch. Eher geht es um die Anwendung von massenkulturellem Alltagswissen: Wie heute Horrorfiguren auszusehen haben, das sollte man schon draufhaben.
Konsum? Keine geistliche Idee? Genau! Deshalb funktioniert das Ganze ja. Übrigens verträgt es sich auch wunderbar mit anderen Traditionen. Wer will, kann Halloween feiern – und den Reformationstag auch; wer so viel multiple Identität nicht zulassen kann (und sei es achselzuckend), muss schon ein arger christlicher Fundamentalist sein. Und wer Konsum unschön findet, recycelt einfach die Harry-Potter-Kostüme vom Fasching. Deshalb: Halloween muss Feiertag werden! Hoch leben die Kürbisse! DIRK KNIPPHALS