Uneinige Nachbarn

LESETOUR Israel, als Dorf beschrieben: Chaim Noll stellt seinen Roman „Die Synagoge“ im Norden vor

Ein Flecken in der Wüste: Soldaten, ein bisschen Hochtechnologie, eine Schule – und eine Synagoge, die schon bessere Tage erlebt hat. Keine dieser Siedlungen, wie sie hierzulande ohne das Adjektiv „jüdisch“ kaum mal erwähnt werden; bei denen der Hinweis aufs Jüdische eine Andersartigkeit, ja: eine Nicht-Zugehörigkeit bezeichnet: Errichtet worden sind sie in Gebieten, deren Nicht-Jüdischkeit vorausgesetzt wird: dem Westjordanland, den „besetzten Gebieten“.

Ein Flecken in der israelischen Wüste also, nicht weit vom Roten Meer, die Soldaten horchen über die Grenze zu horchen, nach Ägypten, und in den Hightech-Buden bringt man die Solarenergie voran. Hier hat Chaim Noll seinen jüngsten Roman angesiedelt, „Die Synagoge“ (Verbrecher Verlag, 448 Seiten, 29 Euro).

„Israel ist ganz einfach die Stütze des Judentums in der Diaspora“, hat Noll einmal in einem Interview gesagt, und aus seinem Mund ist das noch ein bisschen belangvoller: Geboren wurde er als Hans Noll, sein Vater war ein bekannter Dichter der DDR. Und gerade weil deren Selbstverständnis als per se antifaschistischer Staat einhergegangen sei mit dem Ausblenden der noch dort lebenden Juden, beschloss Noll d. J., sich offensiv zu bekennen zu seiner jüdischen Familiengeschichte: Aus Hans wurde Chaim, Hebräisch für „Leben“.

Seit 1995 lebt er mit seiner Frau in Israel, bereits 1983 war der vormalige Wehrdienstverweigerer nach Westen ausgereist und hatte 1991 mit seiner Familie Deutschland in Richtung Rom verlassen. Wenn der gelegentliche taz-Autor nun mit „Die Synagoge“ auf Lesetour geht, bietet sich eine gute Gelegenheit, seinen Blick auf die nicht mehr ganz so neue Wahlheimat kennenzulernen: Ein wenig wirkt’s, als wäre die kleine Ansammlung von Uniformierten und Intelligenz, von leidlich Religiösen und Ultra-Säkularen, die Noll im Buch beschreibt, zu verstehen als Parabel auf das ganze Land: Israel als Ansammlung von Fraktionen, einander teils spinnefeind (oder zumindest ohne großes Verständnis) – die sich doch immer wieder zusammenraufen, und sei’s gegen eine gemeinsame Bedrohung. Weil sie müssen.  ALDI

■ Di, 6. 5., 19.30 Uhr, Norderstedt, Buchhandlung am Rathaus; Mi, 7. 5., 20 Uhr, Kiel, Literaturhaus Schleswig-Holstein; Do, 8. 5., 19 Uhr, Braunschweig, Augustinum Seniorenresidenz