: Einblicke in den Maschinenraum
TAZ-HAUSBLOG Unsere Zeitung spricht über sich und ihre publizistischen Probleme offener und kritischer als jedes andere Medienhaus. Gut so!
VON SEBASTIAN HEISER
Bei der taz ist möglich, was es sonst bundesweit in keinem Medienunternehmen gibt: kritische Berichterstattung über sich selbst. Und zwar nicht nur auf dieser wochenendlichen „Aus der taz“-Seite, sondern auch in ihrer digitalen Verlängerung: dem taz-Hausblog.
Bei der taz erklärt sich das einerseits daraus, dass jedes Unternehmen zur Transparenz gegenüber seinen Eigentümern verpflichtet ist – und das sind bei uns eben die 13.600 Mitglieder der Genossenschaft. Wer seine Leserschaft regelmäßig um Geld bittet, der muss ihr auch erläutern, was damit passiert. Gerade in Finanzdingen ist die taz deshalb sehr offenherzig. Andererseits erklärt sich unsere „Durchsichtigkeit“ auch durch das grün-alternative Spektrum, zu dem die taz zählt – in diesem gehören Kritik und Selbstkritik zum Selbstverständnis dazu.
Im Hausblog berichten wir daher etwa über die Ergebnisse einer Umfrage unter den taz-Genossen – bei der zum Beispiel herauskam, dass sie unsere Wochenendausgabe schlechter benoten als die tägliche Ausgabe. Wir schrieben außerdem darüber, dass kein Artikel bundesweit im Jahr 2013 zu so vielen Beschwerden beim Presserat geführt hat wie die Papst-Schlagzeile „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“. Und wenn ein Leser uns eine selbst gebastelte Zeitungsente aus Holz schickt, machen wir Fotos von ihr und veröffentlichen sie dort.
Im Hausblog werden auch die meisten Artikel dieser Seite eingestellt – und damit für unsere Leser kommentierbar gemacht. Jeder Kommentar wird von uns gelesen, auf jede Frage gibt es eine Antwort, in vielen Fällen entwickeln sich lebhafte Debatten. Etwa zu der Frage, warum wir eine Woche vor der Bundestagswahl die Vorwürfe des Parteienforschers Franz Walter gegen Jürgen Trittin zu jahrzehntealten Pädosexualitäts-Positionen abgedruckt haben. Die Redaktion hatte sich heftig gegen den Vorwurf zu wehren, den Wahlkampf der Grünen zu sabotieren – blieb aber bei ihrer Auffassung, dass wir unsere Berichterstattung über relevante Vorgänge nicht davon abhängig machen, welcher politischen Seite das schaden könnte.
Die Kritik unserer Leser kann uns auch zu Einblicken verhelfen, die wir im journalistischen Tagesgeschäft nicht unmittelbar gewinnen konnten. Dass es etwa keine gute Idee ist, Philipp Rösler zu Rassismus zu befragen und nach seiner verweigerten Autorisierung der Interviewdruckfassung die Fragen ohne Antworten zu publizieren, erkannten wir erst durch den Proteststurm unserer LeserInnen.
In der taz sind wir also offen für Debatten, die uns selbst betreffen – aber die Transparenz hat auch ihre Grenzen. Das ist selbstverständlich, wenn es um den Schutz unserer Mitarbeiter geht: Wenn wir uns darum streiten, wer für den vakanten Posten einer Ressortleitung geeignet wäre, dann bleibt das natürlich intern. Das gilt genauso für unsere gegenseitige Kritik an Texten der Kollegen oder unsere Überlegungen zu künftigen Strukturveränderungen. Und wenn wir uns darüber auseinandersetzen, wie viel Offenheit und Selbstkritik im Hausblog möglich sein darf und warum dort neben offiziellen Verlautbarungen auch die Sichtweisen einzelner Mitarbeiter wiedergegeben werden, erfahren unsere Leser auch darüber: nichts.
■ Sebastian Heiser, Jahrgang 1979, arbeitet seit sechs Jahren im Berliner Lokalteil der taz und betreut seit fünf Jahren nebenher das Hausblog: taz.de/hausblog