piwik no script img

Archiv-Artikel

portrait Mehdorns Rückzug

VON STEPHAN KOSCH

Der Börsengang der Bahn war seine Mission. Doch gestern musste auch Bahnchef Hartmut Mehdorn einräumen, dass dieses Projekt vorerst gescheitert ist. Es sei „möglicherweise das Wahrscheinlichste“, dass alles so weitergeht, wie bisher, sagte er gestern in Berlin. Er sei skeptisch, dass „Kraft und Wille beim Eigentümer“ ausreichen, um eine Lösung im Streit über das richtige Modell für den Börsengang zu finden. „Wir sind ein bisschen enttäuscht, ein bisschen traurig.“

Natürlich kündigte er an, bis zum Schluss für die Privatisierung zu kämpfen. Immerhin ist für den 8. November noch ein Treffen von Regierungs- und Koalitionsexperten geplant. Doch es ist kaum davon auszugehen, dass der Knoten so bald zerschlagen wird. Zu unterschiedlich sind die Positionen.

Im Kern geht es um die Frage, wie groß die Kontrolle des Staates über das von ihm finanzierte Schienennetz nach dem Börsengang ist. Mehdorn würde diesen gerne möglichst gering halten. So könnte die Bahn weiterhin bestimmen, welche Strecken sie wann den Wettbewerbern überlässt und wo investiert werden soll. Weil sich aber in den vergangenen Monaten bereits abzeichnete, dass Mehdorns Idee vom „integrierten Konzern“ politisch nicht durchzusetzen ist, hatte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bereits eine Kompromisslösung auf den Tisch gelegt: Das so genannte Eigentumssicherungsmodell, bei dem der Bund zwar juristischer Eigentümer des Netzes wird, die Bahn aber die wirtschaftliche Eigentümerin bleibt.

Dieses Modell ist jedoch nicht nur innerhalb der SPD umstritten. Auch die Union befürchtet, dass es damit letztendlich doch auf eine Privatisierung des Netzes hinausläuft, und setzt sich für das „Kleine Eigentumsmodell“ ein. Dabei würde das Netz allein einer bundeseigenen Gesellschaft gehören, die DB AG bekäme allerdings ein besonderes Bewirtschaftungsrecht.

Doch es ging bei dem Streit nicht nur um Verkehrspolitik und juristische Feinheiten – sondern immer auch um die Machtfrage. Mehdorn hatte bei diversen Auftritten im Verkehrsausschuss wiederholt die Bundestagsabgeordneten brüskiert und auf seine guten Verbindungen ins Kanzleramt und zu den SPD-Ministern Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee gesetzt. Einige Parlamentarier, wie der SPD-Mann Hermann Scheer, haben sich gerächt und in den vergangenen Wochen immer wieder die Privatisierung grundsätzlich in Frage gestellt. Über die muss nämlich am Ende der Bundestag entscheiden.

„Mehdorn hat den Fehler gemacht, die Parlamentarier zu unterschätzen“, meint auch Daniel Kluge vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Verband, der für eine ökologisch ausgerichtete Verkehrspolitik eintritt, bewertete die Äußerungen Mehdorns gestern auf taz-Anfrage positiv. Der Bahnchef habe nun realisiert, dass sein Modell nicht mehr durchzusetzen sei. Allerdings sei es auch problematisch, dass sich zunächst an der Macht der Bahn über das Schienennetz nichts ändere. „Der Status quo ist nicht die Lösung, Transport und Infrastruktur müssen getrennt werden“, sagt Kluge. Anders würde das Ziel, durch mehr Wettbewerb mehr Fahrgäste zu bekommen, nicht erreicht.

Was die zu erwartende Hängepartie für die Bahnkunden und den Steuerzahler bedeutet, ist noch nicht absehbar. Mehdorn wies gestern darauf hin, dass die Bahn für weiteres Wachstum zwei bis drei Milliarden Euro benötige. Dass dieses Geld nun vom Staat komme, bezweifelte er. Bei einem Verzicht auf den Börsengang müsse der Konzern aber seine Strategie ändern. Was das heißt, ließ er offen. Wer dafür verantwortlich sein soll, hingegen nicht. Der Bahnchef will weiter im Amt bleiben: „Ich bin kein Handtuchwerfer.“

meinung und diskussion SEITE 11