piwik no script img

Archiv-Artikel

press-schlag Es bringt doch nichts

JÜRGEN ROTH klingelt Apollo, den Gott der lichten Rede, herbei, um Fußball gucken zu können. Am Ende spielt er Karten

Bundesliga an einem Samstag, an dem die Eintracht nicht spielt, in einer Eintracht-Kneipe gucken? Berry und ich stehen um halb vier vor dem Kyklamino im Frankfurter Gallusviertel. Kein Licht, kein Leben. Ich rufe Wirt Apollo an, einen Griechen, der alles von der Welt weiß und deshalb immer grinst. „Ich mach’ um vier auf, die Eintracht spielt nicht!“, brummt er ins Handy. Kyklamino heißt Alpenveilchen. Das kann er sich gleich bei mir abholen.

Mein gottverdammter halbsizilianischer Kumpel Berry meint, Apollo solle für solche Fälle draußen an der Tür einen Weißbierautomaten anbringen. Nachdem uns Apollo, der über dem Kyklamino wohnt, Einlass gewährt hat, rupft Berry zwei Weizen aus dem Kühlschrank. Apollo installiert den Beamer auf einem umgedreht an die Decke geklebten Tisch. „Beschwer dich nicht, du kriegst hier was zu trinken“, sagt er und zündet sich eine Kippe an.

Es ist fünf vor vier. Die ersten Bilder aus Berlin zappeln über die Leinwand. „Jetzt schmeißt du mal ’ne Runde Erdnüsse, du Pfeife!“ sage ich. „Erst mal ’ne Zigarette“, sagt Apollo, der Gott der lichten Rede. Wenn die Eintracht antritt, sind sie alle da: der sagenhaft aufgewühlte Fanatiker Stefan, die gute Heike, Horst und Inge, Mario, Norbert, der Physikprofessor Werner, der herzliche Achim, den Fußball im Grunde einen Scheiß interessiert, der erleuchtete Dieter, Andi, der genauso wunderbar zwerchfellzerfetzend scheppernd lacht wie Achim Greser, und viele andere rund um den Dartsklub „Gallus Hawks“. Ich schätze das Kyklamino sehr, und es gibt den Kräuterschnaps „Butzelmann“, Guinness vom Fass und für die Damen den Sahnelikör „Kleiner Klopfer“.

Berry spielt Darts. „Der Halbsizilianer interessiert sich für so eine Labilität wie den deutschen Fußball nicht“, sagt Apollo und entflammt eine Aktive. Der Wasserhahn läuft. Was die Konferenzreporter von Arena reden, ist nicht zu verstehen. „Morgen gucken wir die Bayern, nicht die Deppen-Eintracht!“, moser ich rum. Im Gang zum Klo hängt ein verblichenes Foto aus dem Jahr 1994, von der A-Jugend des FFV Sportsfreunde 04, den „Speuzern“, d. h. Spuckern. Darauf ist Michael Thurk zu sehen, in einem lila Trikot, auf dem „Kyklamino“ steht.

Ich glotze wieder auf die Arena-Blitztabelle und sage: „Faschistische Berliner!“ Keine Reaktion. Fünf Minuten später sage ich: „Fußballgucken ist überschätzt. Fußball ist so was von überflüssig.“ Apollo sagt: „Hm.“ Berry sagt: „Findste?“ Ich sage: „Fußball bringt doch nichts.“ Apollo: „Pfff.“ Berry: „Du hast doch dein halbes Leben dem Fußball gewidmet!“

„Spiel’n wa Schwimmen?“ fragt Berry um Viertel vor fünf. „Ja“, sage ich. „Bist du bereit zum Verlieren?“ fragt Apollo. Was für eine Frage, alter Grieche! Raus die Karten!