Wachsende Kritik an Barack Obama

USA Regierung drängt Firmen zum Boykott. Veteranen für Gespräche mit Russland

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Ein Emissär aus Washington soll diese Woche drei europäische Regierungen auf Sanktionskurs bringen: David Cohen aus dem US-Finanzministerium ist am Dienstag in Berlin, dann in Paris und London. Zuvor hatte bereits Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Washington-Besuch am Freitag nach einem Gespräch mit US-Präsident Barack Obama verschärfte Sanktionen gegen Russland angedroht.

Auf nationaler Ebene hat die US-Regierung die Spitzen der großen US-Firmen bereits auf Kurs gebracht. Nach Anrufen aus Washington sagten die Chefs von ConocoPhillips und anderen Ölkonzernen sowie die der US-Investmentbanken ihre Teilnahme am Sankt Petersburger Forum – der russischen Variante des Weltwirtschaftsforums in Davos – Ende Mai ab. Selbst der Getränkehersteller PepsiCo, der im vergangenen Jahr 4,9 Milliarden Dollar in Russland erwirtschaftete, gab dem Druck nach. Laut New York Times waren die Firmen vor Propagandafotos gewarnt worden, die US-Spitzenunternehmer mit Wladimir Putin zeigen.

Für zusätzlichen psychologischen Druck sorgen Informationen aus dem Pentagon, wonach Russland seine Militärflüge über dem Pazifik – unter anderem in der Nähe der US-Basis auf Guam und vor Kaliforniens Küste – seit Beginn der Ukraine-Krise intensiviert habe. General Herbert Carlisle sprach von einer „drastischen“ Zunahme von Flug- und Schifffahrtsaktivität, die an den „Kalten Krieg erinnere“. Die russische Agentur Itar-Tass dagegen bezeichnete es als „seltsam“, russische Flüge über dem „neutralen Pazifik“ so wahrzunehmen.

In die entgegengesetzte Richtung geht ein Appell von neun hochrangigen Exmitarbeitern von US-Geheimdiensten, darunter CIA, NSA und FBI. Die Gruppe Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) fordert Obama zu einem Gipfel mit Putin auf, um die Lage diplomatisch zu entschärfen. Im Vorfeld solle der Präsident öffentlich klarstellen, dass die Nato weder bereit ist, die Ukraine aufzunehmen – noch Georgien. Für Kiew solle Obama einen „Finnland-Status“ anbieten: eine regionale Autonomie, mit der Möglichkeit zu voller Kooperation mit der EU, aber ohne Anschluss an ein Militärbündnis.

Im Vorfeld des Irak-Kriegs hatten die VIPS dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush geschrieben, dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen habe. Jetzt fragen sie Obama, ob die Entsendung ukrainischer Truppen in den Osten des Landes eine Folge des Besuches von CIA-Chef John Brennan in Kiew sei. Der hatte dort die ostukrainischen Rebellen als „Terroristen“ bezeichnet.

Als einzige Nutznießer eines absehbaren Blutbades in der Ukraine bezeichnet die VIPS Israel und China. Israel – weil es die US-russische Zusammenarbeit in Sachen Syrien und Iran argwöhnisch betrachte. Und China, weil es – etwa in der Frage der Senkaku/Diaoyu Inseln – seinerseits von einer Annäherung an Russland profitieren könnte.

Ungeduldig gegenüber Obama wird auch Zbigniew Brzezinski. In einem Text in Politico schreibt die graue Eminenz der US-Außenpolitik, dass es einen Monat nach Moskaus Annexion der Krim Zeit sei, Klartext zu reden. Der US-Präsident solle der Öffentlichkeit erklären, warum es im Interesse der USA liege, der Ukraine zu helfen. Auch Brzezinski hält eine „wahrhaft unabhängige und territorial ungeteilte Ukraine, die Politik gegenüber Russland ähnlich wie Finnland praktiziert“, für die beste mögliche Lösung.