: Verknüpft mit der braunen Vergangenheit
Henning Freiberg hat zusammen mit Studierenden der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig das Internetprojekt „Vernetztes Gedächtnis“ konzipiert und entwickelt. Das Portal sucht online nach Spuren der NS-Gewaltherrschaft in Braunschweig
taz: Herr Freiberg, wie funktioniert die Online-Suche nach der lokalen NS-Vergangenheit?
Henning Freiberg: Im Grunde wie eine interaktive und virtuelle Stadtführung. Ausgehend vom Braunschweiger Stadtplan kann man auf dem Internetportal die verschiedenen Orte, die Teil von NS-Gewaltverbrechen waren, besuchen und den Kontext des Ortes durch weiterführende Informationen erschließen.
Wie haben Sie diese Informationen gesammelt?
Die Studenten haben in der Entwicklungsphase eng mit Historikern des städtischen Kulturinstituts zusammengearbeitet und zahlreiche wissenschaftliche Forschungsberichte einbezogen. Sie sind aber auch selbst an den Orten und Stätten gewesen und haben „Spuren gesucht“.
Ist das Internet für ein solches Projekt das geeignete Medium?
Ich denke schon. Es ist mir wichtig, dass Studierende projektorientiert lernen. Das Internet bietet dafür beste Voraussetzungen, und es kann, trotz seines globalen Charakters, jederzeit lokal zurückgebunden werden. Die Studierenden sollten sich fragen, was in ihrer unmittelbaren Umgebung passiert und so die Aufarbeitung der eigenen Stadtteilgeschichte intensivieren.
Inwieweit wurde in Braunschweig die nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet?
Die NS-Verbrechen in Braunschweig wurden lange Zeit nicht beachtet, man kehrte hier vieles unter den Teppich. Nicht, weil die Leute Schuldgefühle plagten, sondern vielmehr, weil die Ereignisse noch so sehr in den eigenen Emotionen verhaftet waren. Erst in den 90er Jahren schuf man mehrere Gedenkstätten. Auf unserem Portal kann man sie „besuchen“, etwa die auf dem Friedhof Hochstraße oder die Gedenkstätte Buchhorst.
Auch das Riesebergdenkmal ist verknüpft …
Richtig. Das gibt es zwar schon seit 1983, es war aber lange Teil des ehemaligen DGB-Jugendhauses und in schlechtem Zustand. Erst 2005 wurde die Reliefwand mit Hilfe des DGB herausgelöst und als frei stehende Skulptur errichtet. Sie gedenkt der elf Ermordeten des 4. Juli 1933, zehn davon mit kommunistischem Hintergrund.
Dokumentiert das Projekt auch jüdischen Besitz vor 1933 und personelle NS-Kontinuitäten im Gewerberaum nach 1945?
Nein, das war leider nicht möglich. Bei der Weiterentwicklung des Projekts sollte dieser Aspekt beachtet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Stadt aber nicht bereit, eine solche Recherchearbeit zu unterstützen. Man hat wohl Angst schlafende Hunde zu wecken.
INTERVIEW: ANDREAS BOCK