Ein neuer Problem-Bär

Amnesie (2): „Bloch: Der Mann im Smoking“ (20.15 Uhr, ARD) ist ein Krimi zum Vergessen – im doppelten Sinne

Der Mann wandert über Felder und durch Täler, über Brücken und durch Städte. Der Smoking, den er trägt, scheint allerdings nicht dazu gemacht, um in dieser Herbstwelt umherzuziehen. Was den Mann treibt, weiß er selbst nicht. Das Gedächtnis hat er verloren, den Ausweis im Fluss versenkt. Nur die einzelne Perle einer Kette, die er in der Smokingtasche trägt, könnte ein Hinweis auf seine Identität sein. Bloch (Dieter Pfaff) ahnt schnell, unter was der Namenlose leidet: dissoziative Fugue, eine Persönlichkeitsstörung, bei der die betroffene Person durch ein traumatisches Erlebnis ihr Leben und ihr Wissen über sich selbst zurücklässt. Der Therapeut bringt den Herrn im abgerissenen Smoking also in eine Klinik, um sich seine Vermutung bestätigen zu lassen. Doch der dortige Arzt will den jetzt der Einfachheit halber Albert Unbekannt genannten Mann nur als Studienobjekt missbrauchen. Also nimmt Bloch ihn mit zu Freundin (Ulrike Krumbiegel) und Stiefsohn. „Hast du dir wieder Arbeit mit nach Hause gebracht?“, begrüßt man ihn daheim.

Das ist leider der einzige richtig gute Satz in dieser Episode der Seelenermittler-Serie, die ja bislang von ihren guten Dialogen gelebt hat. Zwar spielt Rudolf „Stolberg“ Kowalski den Gedächtnislosen mit eleganter Hilflosigkeit; egal, wie wenig er über sich weiß, er mutet in keinem Moment als Trottel an. Maniriert indes wirken die ständige Empörung des Therapeuten über die Beamtenkollegen und die plietschen Sprüche, mit denen er den Ich-Flüchtigen zum Memorieren tricksen will. Und dass der Seelenkrimi am Ende in einen konventionellen Krimi umschlägt, wirkt genauso überzogen wie die ständigen Einspielungen der Oper „Tosca“, mit denen der Gedächtnis-Thriller melodramatisch aufgeladen wird.

Nach dem Tod von „Bloch“-Erfinder Peter Märthesheimer und dem Ausstieg seiner Drehbuchpartnerin Pea Fröhlich ist die Reihe irgendwie ins Trudeln geraten. Die letzten Folgen waren zwar ausgezeichnet, es ist inzwischen jedoch keine klare Linie mehr auszumachen. Dass nun die geheilte Patientin von Blochs letztem Fall den Erinnerungslosen in die Praxis des Therapeuten schleppt, wirkt lediglich wie der bemühte Versuch, eine Verbindung zwischen den losen Folgen zu konstruieren.

„Der Mann im Smoking“ (Buch: Marco Wiersch, Regie: René Heisig), dieses Dramolett ums Vergessen und Erinnern, darf man also getrost aus dem Gedächtnis löschen. Besonders gerne würde man übrigens die Fummelszene auf dem Sofa verdrängen, in der Bloch jovial mit seiner Lebensgefährtin poussiert. Wie soll man jemanden ernst nehmen, der sich selbst Bär nennt und dazu putzig das gigantische Bäuchlein rausstreckt? CHRISTIAN BUSS