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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Momentan ist so viel Theater in der Stadt, dass man kaum weiß, wohin man schauen soll! Allein schon das Theatertreffen! (Alle Infos: berlinerfestspiele.de.) Fünf Stunden Castorf am 8. und 9. Mai im Haus der Berliner Festspiele zum Beispiel beziehungsweise seine (an den Münchner Kammerspielen entstandene) Céline-Adaption „Reise ans Ende der Nacht“. Bei der zweiten Vorstellung (9. 5.) gibt’s auch noch ein Novum bei den altehrwürdigen Festspielen: eine Reihe ist für Twitterer reserviert, die dann aus der Vorstellung twittern dürfen. Erhofft wird sich eine Art repräsentativer Stream of consciousness, der dann auch als Kollektivkritik abgedruckt werden wird. (Theatertreffen: „Reise ans Ende der Nacht“, 8. und 9. 5., 18 Uhr, Hashtag #TTreise)

Wer in diesen Tagen dann vielleicht doch mal eine Ablenkung benötigt: Eine der allertollsten Fluchtmöglichkeiten aus den Hochetagen der Oberkunst und den sie begleitenden Anstrengungen bietet das unermüdliche Prime Time Theater im Wedding mit seiner Sitcom-Theaterserie „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“. Am 9. Mai kommt dort die inzwischen 91. Folge heraus! Im Zentrum steht der Hasslebener Dorftrottel Micha, der (im Gegensatz zu Botho Strauß) das Landleben in der Uckermark satt hat und selbigem kurzerhand mit dem Klapprad nach Berlin entkommt. Dort bekommt er es dann mit dem inzwischen schon legendären Personal der Theater-Soap (u. a. „Kalle“ alias Volker Tautorat) aber auch Phänomenen wie Männerstillgruppen, Hipstern und möglicherweise sogar dem Theatertreffen zu tun. (Prime Time Theater: „Flucht aus der Uckermark“, ab 9. 5., 20.15 Uhr)

Härter noch als den mit dem Klapprad durch den wilden Osten irrenden Micha traf es dereinst Odysseus alias Ulysses, der zehn Jahre für den Weg aus dem Trojanischen Krieg nach Hause brauchte und unterwegs so viel erlebte, dass der Stoff für ein paar tausend Jahre reichte. Der Regisseur und Filmer Marat Burnashev hat sich nun der Sache angenommen beziehungsweise der Variation, die James Joyce von der Geschichte schuf. Das Ergebnis seiner multimedialen Auseinandersetzung wird sowohl auf der Bühne als auch im Internet zu sehen sein. Es beginnt mit vierzehn Kurzfilmen, in denen zentrale Motive, Personen und Orte der einzelnen Ulysses-Kapitel vorgestellt werden. Seit Februar werden die Filme bereits sukzessive auf die Seite ulyssesprojekt.de gestellt. Nun wird in der physischen Welt weitergespielt. Der Theaterteil startet (mit den beiden Schauspielstars Bruno Cathomas und Mirco Kreibich) am 10. Mai. (Ballhaus Ost: „Ulysses“, 9.–11., 13./14. und 16. Mai, jeweils 20 Uhr)