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Archiv-Artikel

Reise ins linksextreme Berlin

STEUERGELD Die Junge Union Köln fährt in die Hauptstadt, besichtigt Museen und ein besetztes Haus – bezahlt vom Programm gegen Linksextremismus. Ein Skandal, so die Opposition

Der Grüne Sven-Christian Kindler spricht von „dreister Klientelpflege“

VON WOLF SCHMIDT

BERLIN taz | Die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) erstmals aufgelegten Präventionsprogramme gegen Islamismus und Linksextremismus sind seit Monaten umstritten. Nun werden neue zweifelhafte Details bekannt: Ausgerechnet eine Fahrt der Jungen Union (JU) Köln nach Berlin soll nun als eine der ersten Maßnahmen aus dem Topf zur Verhinderung von Linksextremismus gefördert werden.

Die Nachwuchskonservativen wollen am vierten Adventswochenende Sehenswürdigkeiten wie den Checkpoint Charlie besuchen, mit einem CDU-Bundestagsabgeordneten sprechen – und am Abend einen „gemeinsamen Ausflug in des Berliner Nachtleben“ unternehmen, wie es auf ihrer Homepage heißt. Das Oberthema sei „Linksextremismus“. Dazu soll dann wohl auch der geplante Abstecher zu einem „besetzten Haus in der Köpenicker Straße 137“ passen, wie es im Programm auf der Homepage heißt. Doch: Nicht alles, was nach besetztem Haus aussieht, ist auch eines. 2008 haben die Bewohner der Hochburg der linken Szene Berlin langfristige Mietverträge abgeschlossen.

Wie aus einem Schreiben aus Schröders Ministerium an den Familienausschuss hervorgeht, haben 24 Träger Geld aus dem Topf der „Initiative Demokratie stärken“ beantragt, darunter die JU. Deren Bundesgeschäftsstelle sagt auf Nachfrage, dass drei Fahrten bereits bewilligt worden seien, darunter die der Kölner. Das Motto: „Wir fahren nach Berlin – gegen Linksextremismus.“ Über eine konkrete Summe wollte JU-Bundesgeschäftsführer Alexander Humbert keine Angabe machen.

Die Opposition ist empört. „Hier werden auf Staatskosten Vergnügungsreisen der Jungen Union finanziert“, warf der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz Ministerin Schröder vor. „Wenn so ihre Extremismusprävention aussieht, sollten sie aufhören.“ Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler spricht von „dreister Klientelpflege“ – schließlich ist Familienministerin Schröder selbst JU-Mitglied. Kindler findet: Der Rechnungshof sollte den Fall nun prüfen.

JU-Bundesgeschäftsführer Humbert kann keinen Skandal wittern. Die Kritik sei „ein Witz“. Auch den Ausflug ins Berliner Nachtleben verteidigt er. Wenn man junge Leute für solche Fahrten gewinnen wolle, müsse man ihnen auch ein Abendangebot machen. Dieses werde aber nicht aus Steuergeldern finanziert: „Sein Bier muss jeder selber bezahlen.“

Die Opposition beruhigt das kaum. Sie kritisiert seit Monaten, dass Schröder kein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Prävention von Linksextremismus vorlegen könne. Von „pseudowissenschaftlichen Extremismusverwirrungen“ spricht der Grünen-Abgeordnete Kindler.