: Denn sie sind das Volk
Erst als der FC Bundestag müde wird, gelingen „Mehr Demokratie e. V.“ zwei Treffer. Da ist es aber schon zu spät
BERLIN taz ■ Das Volk liegt am Boden. Kurt Wilhelmi, Stürmer der Mannschaft vom Bundesverband „Mehr Demokratie e. V.“, hat sich beim zweiten Gegentreffer im aussichtslosen Spiel gegen den FC Bundestag überschlagen. Er wird aus dem Spiel genommen: Schlüsselbeinbruch. Die Schlüsselszene. Ein erwartungsgemäßer Spielverlauf: Schließlich trainiert die Elf des Bundestags regelmäßig einmal pro Sitzungswoche, und das auch noch in alten Nationalmannschaftstrikots. Die demokratischen Bürger dagegen, die das erste Mal ein paar Tage vorm Spiel zusammen kickten, haben in der Spielvorbereitung genau die Probleme gehabt, die sie auch außerhalb des Spielfelds erleben: die Motivierung ihrer Mitstreiter.
Der Bundesverband, der sich für mehr Volksabstimmungen und Bürgerbegehren einsetzt und mit „Democracy International“ zusammenarbeitet, hatte von Anfang an keine große Chance gegen die gut vorbereiteten Hinterbänkler des Bundestags. Nach anfänglichem Herumgebolze traf die Mannschaft um den CDU-Abgeordneten Klaus Riegert viermal in den ersten 30 Minuten, zweimal wurden Ecken verwandelt, unhaltbar für Uli Felsch, den bärtigen Torwart im demokratischen Tor, von dem man bei den gut gelaunten, „Hier spielt das Volk!“ skandierenden Demokratie-Claqueuren munkelte, er sei Hausmeister im Haus der Demokratie. In der ersten Halbzeit brachte die Demokratie-Elf nur eine echte Chance zuwege, während die Hinterbänkler unverdrossen aufs Gegentor eindroschen.
Die ballverliebten Abgeordneten haben eine bemerkenswerte Tradition. 1967 gründete der SPD-Abgeordnete Dr. Adolf Müller-Emmert offiziell den FC, mit der lakonischen Begründung: „Fußball ist unsere einzige Freude, die wir in Bonn haben.“ Am kalten Dienstagabend in Berlin zeigten die aufmüpfigen Bürger in der zweiten Halbzeit immerhin noch mal, wie ungemütlich sie es den nicht demokratisch genug gewählten Vertretern machen wollten. In der 35. Minute schoss der Waldorflehrer und Tischler Andreas Michlo das erste Gegentor, zehn Minuten später verringerte Wilhelmi per Schuss nach einem Abpraller vom parteilosen Torwart Hendrik Grunewald mit seinem aufsehenerregenden Salto zum 4:2-Endstand. „Beim Spiel haben wir fair 4:2 gegen den Bundestag verloren. Doch wenn es um mehr direkte Demokratie geht, werden wir gewinnen“, hoffte ein Demokrat. Viel besser klingt es in der Bundesliga meistens auch nicht. JENNI ZYLKA