: Jubelnde Knaben
KRÖNUNGS-REENACTMENT
Am Donnerstag ist es so weit: Da dürfen die Sänger des Hannoveraner Knabenchores endlich losjubeln, jubilieren, dem König huldigen und ihn preisen – denn dann wird die Krönung Georgs I. zum britischen König in der Hannoveraner Marktkirche nachgespielt, die vor 200 Jahren in London stattfand. Zuvor war Georg lediglich Kurfürst von Hannover. Und der Sprung aus der Provinz zum British Empire ist ja eine Tellerrand-Überwindung, die man als Hannoveraner in der Tat nicht täglich erlebt.
Allerdings wird, und das ist bei aller neo-feudaler Begeisterung dann doch ein bisschen schwach, die im Original vierstündige Krönungsmesse auf 80 Minuten zusammengedampft. „Ein Extrakt“ sei das, sagt Chorleiter Jörg Breiding, der Zöglingen und Zuhörern die „archaischen“ Qualitäten so einer Krönung nahebringen will. „Diese Erfahrungen sammeln wir in unserer Kindheit, und sie verlassen uns in ihrem Subtext nie“, heißt es im Knabenchor Hannover Magazin. Das also ist geblieben von der Reeducation, dem mühsamen Demokratisierungsversuch der West-Alliierten im Nachkriegsdeutschland.
Noch bedauerlicher ist allerdings, dass so eine steife Krönung nicht wirklich Action bietet, „Extrakt“ hin, „Archaik“ her. Die Knaben hätten mehr Spaß, dürften sie das höfische Großevent nachspielen, dass drei Jahre später stieg: Die Taufe von Enkel Georg Wilhelm, bei der ein handfester Familienstreit ausbrach. King George wollte partout die Paten nicht akzeptieren, die sein Sohn ausgesucht hatte, worauf dieser seinen autoritären Vater in aller Öffentlichkeit wüst beschimpfte. Dafür landete er hinter Gittern.
Noch mehr Action verspräche das Reenactment eines Ereignisses, das in Hannover selbst stattfand und den Knaben die Augen für die wahren Qualitäten solcher Monarchen öffnen könnte: Die Ermordung des Grafen Königsmarck, die Georg in Auftag gab und mit 150.000 Talern entlohnte, sobald die Leiche in der Leine lag. Und bevor er mit Mätresse & Co ein lustiges Leben jenseits des Ärmelkanals begann, knastete er seine Gattin lebenslänglich auf Schloss Ahlden ein. Das, Ihr Knaben, sind die wahren Stoffe des Lebens! HB