piwik no script img

Archiv-Artikel

Geblendet vom Glanz des Prestiges

BARENBOIM-SAID-AKADEMIE

Die Musik als Brückenbauer, das ist die Idee des West-Eastern Divan Orchestra von Stardirigent Daniel Barenboim, in dem Israelis und Araber aus Ländern des Nahen Ostens gemeinsam musizieren. Diese Vorstellung von der versöhnenden Kraft der Musik steckt nun auch hinter der Barenboim-Said-Akademie, für die seit dieser Woche das ehemalige Magazin der Staatsoper Unter den Linden zu einem Konzertsaal für 700 Besucher umfunktioniert wird.

Ein Friedensprojekt für den Nahen Osten in Berlin – das ist ein schönes Zeichen, dass man sich hierzulande der Verantwortung für die eigene historische Rolle bewusst ist. Auch wenn letztlich wohl allen klar ist, dass mit Beethoven und Bach allein der Friedensprozess im Nahen Osten auch nicht wirklich vorankommen wird.

Stolz wird darauf verwiesen, was die Akademie für den Nahen Osten einmal bedeuten soll: Stipendiaten aus Israel und seinen arabischen Nachbarländern sollen ab 2016 in Berlin ausgebildet werden, in einem „studium generale“, wie Barenboim betont. Als „Friedensstifter“, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der Grundsteinlegung am Dienstag sagte, sollen die jungen Musiker hernach in ihre Heimat zurückkehren.

Plötzlich zählt sie also wieder etwas, die Macht der Musik. Dann nämlich, so scheint es, wenn selbst die New York Times sich dafür interessiert, wie man sich in Berlin so wunderbar weltläufig engagiert.

Tatsächlich, eine feine Sache – gleichzeitig ist der Musikunterricht an vielen Berliner Schulen ein sogenanntes Mangelfach, was bedeutet: Er fällt überdurchschnittlich oft aus. Glanz, warme Worte und viel Geld hier – auf knapp 34 Millionen Euro belaufen sich die Baukosten, 20 Millionen Euro davon sind Bundesmittel –, und nichts von alldem abseits dieses in der Tat lobenswerten Prestigeprojekts.

Auch die Lehrer der städtischen Musikschulen, die seit einiger Zeit immer lautstärker gegen prekäre Arbeitsbedingungen protestieren, werden es wohl nur schwer verstehen, wenn in ihrer Stadt ein weiteres Großprojekt hochgezogen wird, das den Musikstandort Berlin stärken soll, während ihnen beim Blick auf ihre Gehaltschecks die Tränen kommen.

ANDREAS HARTMANN