: Fortuna will kein Karnevalsverein mehr sein
Beim 2:0 gegen St. Pauli darf sich Düsseldorf vor 25.000 Fans für einen Tag wieder wie ein Bundesligist fühlen. Dabei ist das Umfeld am Rhein amateurhaft: Wegen chaotischer Umstände begann das Spiel mit 30 Minuten Verspätung
DÜSSELDORF taz ■ Seit knapp einer Dekade ist Düsseldorf nun keine Bundesliga-Stadt mehr. Dies mussten die Besucher der Drittligapartie Fortuna gegen St. Pauli am eigenen Leib erfahren. Neun Jahre nach dem Abstieg aus der Oberdivision des Fußballs war die Landeshauptstadt mit der bundesligareifen Kulisse von 24.563 Zuschauern überfordert. Die U-Bahn fiel aus, Fans quetschten sich in Ersatzbusse, hunderte Supporter mussten kilometerweit zu Fuß zum Stadion laufen. Dort angekommen dursteten einige Besucher angesichts des spartanischen Caterings – 11.11. in Düsseldorf, ein jecker Tag eben. Das Spiel wurde wegen der chaotischen Umstände mit 30-minütiger Verspätung angepfiffen. Das passiert sonst nur Dorfvereinen, wenn im DFB-Pokal ein großer Club kommt und das Kassenhäuschen überlastet ist.
Trotz des amateurhaften Umfelds boten die Drittligaspieler der Fortuna eine durchaus profihafte Leistung. Angeführt von den Mittelfeldoldies Markus Anfang und Jörg „Ali“ Albertz monopolisierte die Heimelf in den ersten 30 Minuten das Spielgeschehen. Die steilen kurzen Zuspiele in die Offensive waren zu viel für die Hamburger Abwehr. In der zwölften Minute kapitalisierte Ex-St.-Pauli-Abwehrrecke Robert Palikuca diese Überlegenheit nach einem Albertz-Freistoß – per Kopfball zum 1:0. Kurz darauf vergaben der im offiziellen ZDF-Reporterdeutsch wohl „quirlig“ zu nennende Angreifer Yusuf-Muri Adewunmi und der Ex-Aachener Zweitliga-Holländer Henri Heeren nach weiteren schaustellerischen Kombinationen – eingeleitet vom großen Fortuna-Talent Andreas „Messi“ Lambertz.
Wie so oft in dieser Spielzeit folgten bei der Fortuna allerdings auf Beweise der Schönheit im Angriff wieder Momente der defensiven Hässlichkeit. Torwart Patrick Deuß klärte nach einer halben Stunde mit einer Fußabwehr, die so weder im Handball noch auf Kreisligasportplätzen üblich ist. Die so genannten „Kiezkicker“ hätten vor der Pause ausgleichen können, doch konnten sie ihre kurzzeitigen Freiheiten im Fortuna-Strafraum nicht nutzen.
Pause. Gelegenheit für die Fans, um über düstere Gerüchte im Umfeld der Fortuna zu plaudern. Am Morgen des Spiels hatte die Lokalpresse berichtet, angeblich erwäge „Red Bull“ ein finanzielles Engagement beim deutschen Pokalsieger von 1979 und 1980. „Red Bull Düsseldorf“? Gummibärchen-Brause statt Altbier? Falls die Energie-Drink-Firma aus Austria einspringen würde als Hauptsponsor und Namensgeber des Traditionsclubs, Toni Turek und Paul Janes würden wohl im Grab rotieren.
Zweite Halbzeit. Bereits nach wenigen Sekunden war das Spiel entschieden. Nach einer Adewunmi/Lambertz-Kollaboration auf der rechten Seite nahm sich St. Pauli per Eigentor aus dem Spiel. Der Rest war eine standardisierte Prozedur: Düsseldorf konterte zu unkonzentriert, um höher zu gewinnen. Die Hamburger spielten zu undiszipliniert und wirr, als dass sie ihren 4.000 angereisten Fans in Schwarz und Braun noch hätten Hoffnung machen können.
Fortuna durfte sich nach dem 2:0-Erfolg für einen Tag wie ein Bundesligist fühlen – zumal auch die ARD-Sportschau später Ausschnitte der Partie zeigte. Ganz wie früher eben, zu Bundesligazeiten im alten Rheinstadion. Bislang sagt es keiner der Verantwortlichen in Düsseldorf offen, aber der Aufstieg in die 2. Liga soll im Frühjahr 2007 perfekt gemacht werden – zehn Jahre nach dem Abgang aus der Bundesliga. Regisseur Markus Anfang hat jenen Abstieg von 1997 noch als junger Spieler erlebt. Bei Spielende freute er sich über die Jubelstimmung in der Arena, fasste dann aber die neue Ernsthaftigkeit der Fortuna in Worte: „Wir sind kein Karnevalsverein.“ MARTIN TEIGELER