: Brandenburgs Polizei geht der Sprit aus
Bisher dachte man, in Brandenburg gelte Law and Order des Innenministers und Exgenerals Jörg Schönbohm (CDU). Nun stellt sich heraus: Im ehemaligen Preußen wird das Benzin für Streifenfahrten rationiert und Beamte kennen „zivilen Ungehorsam“
VON DANIEL SCHULZ
Den Polizisten des Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) geht in manchen Gegenden schlicht das Benzin aus. In den Weiten der fast menschenleeren Prignitz etwa müssen polizeiliche Ausfahrten wegen akuten Treibstoffmangels bereits rationiert werden. Nur noch 120 Kilometer pro Schicht dürfen die Polizisten fahren. In einem anderen Einsatzgebiet, Brandenburg-Havel, haben die Ordnungshüter zu viele Drogentestgeräte eingekauft – jetzt steht das Revier mit 80.000 Euro in der Kreide und hat formell kein Geld für Sprit mehr.
Eigentlich haben die 15 Schutzbereiche der Brandenburger Polizei ein eigenes Budget. Mit dem sollen sie selbstständig auch Benzin kaufen können – allerdings nur so lange, bis Bares da ist. Kein Trost für Bürger, die von Kriminalität und Rechtsextremismus betroffen sind. Dennoch dementiert das Innenministerium trotzig: „Die Einsatzbereitschaft der Polizei ist unabhängig vom notwendig wirtschaftlichen Einsatz in allen Dienstbereichen zu jeder Zeit gewährleistet.“
Der Sicherheit im Brandenburgischen droht aber nicht allein durch Stillstand in der Polizeigarage Ungemach. Polizeibeamte drohen ihrem Innenminister. Man wolle die privaten Mobiltelefone im Einsatz ausschalten – eine Horrorvorstellung für die Einsatzleiter, denn der brandenburgische Funk soll von lausiger Qualität sein. Die lokalen Polizeigewerkschaften haben bereits „Dienst nach Vorschrift“ angekündigt – das ist so etwas wie ziviler Ungehorsam in Uniform. Er könnte so aussehen, dass die Polizisten Parksünden und Raserei nicht mehr ahnden. „Da Beamte nicht offiziell streiken dürfen, müssen wir uns eben anders wehren“, tut Michael Peckmann, Gewerkschaftssekretär der GdP, unschuldig.
Hintergrund ist, dass den Beamten das Weihnachtsgeld gestrichen werden soll. Ob man Menschen in jeder Notlage dann noch helfen könne, wisse er natürlich nicht, sagt Frank Domanski vielsagend, er ist Landeschef der Polizeigewerkschaft. Anarchie im preußischen Kernland? Das Innenministerium beruhigt, dass sich der strenge Alte Fritz im Grabe umdrehen würde. Man gehe davon aus, dass „die Polizisten ihren Beamtenpflichten nachkommen“.
Die Beamten sind reichlich sauer auf Finanzminister Rainer Speer (SPD). Er will trotz der für das nächste Jahr erwarteten Steuermehreinnahmen von knapp 360 Millionen Euro bei den Beamten 27 Millionen Euro in diesem Jahr kürzen. Zuvor hatte er das Weihnachtsgeld bereits beschnitten und damit 41 Millionen Euro für das Land herausgeholt.
Brandenburg fährt einen strikten Sparkurs, um nach dem Ablauf des Solidarpaktes im Jahre 2019 seine knapp 18 Milliarden Euro Schulden los zu sein.
Nicht allein finanzielle Einschnitte bringen die Polizisten gegen den Finanzminister auf. Sie werfen ihm Wortbruch vor, weil Speer nach den ersten Einschnitten beim Weihnachtsgeld versprochen habe, nicht weiter zu kürzen. „Die Proteste der Beamten sind nachvollziehbar“, sagt Ministeriumssprecher Ingo Decker, „wir gehen davon aus, dass eine Menge Ärger auf uns zukommen wird.“ Die Finanzlage des Landes zwinge aber zu unpopulären Beschlüssen.
Brandenburg kann von reichen Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg lernen, das derartige Krisen zu überleben sind. 2003 und 2002 stand die Polizei rund um Siegen kurz vor der Pleite und musste um Zuschüsse betteln. Im Notfall half aber das Finanzministerium.
Lernen könnten die Brandenburger auch von den harten Gegenmaßnahmen im Nachbarland Sachsen-Anhalt. Dort kassierte Ministerpräsident Böhmer eine angekündigte Einmalzahlung von 630 Euro an alle Polizisten wieder ein. Der dortige Chef der Polizeigewerkschaft Karsten Schmidt will deswegen mit Kollegen am Advent vor das Haus des Ministerpräsidenten ziehen – zum Singen, nicht zur Überwachung.