HEINZ UND DAS KRANKENHAUS DES VERGESSENS

VON RALF SOTSCHECK

Es gibt Glückspilze, und es gibt Pechvögel. Heinz gehört zur zweiten Kategorie. Er stammt aus Bremen, lebt aber seit über 20 Jahren in dem Heimatdorf seiner Frau an der irischen Westküste. Inzwischen ist er 81, was eine anständige Leistung ist, wenn man bedenkt, dass er sein Leben lang gern getrunken und geraucht hat – zum Schluss nur noch heimlich, weil ihm seine Frau Prügel angedroht hat für den Fall, dass sie ihn mit einer Kippe erwischt.

Mit seiner Gesundheit geht es deshalb seit Jahren bergab, was in Irland wegen des beklagenswerten Zustands des irischen Gesundheitssystems besonders fatal ist. Heinz musste vor ein paar Jahren im Krankenhaus von Galway am Magen operiert werden. Der Eingriff sei tadellos verlaufen, behauptete der Arzt und schickte den Patienten nach Hause. Eine Woche später bekam Heinz jedoch starke Schmerzen im Unterleib und musste erneut ins Krankenhaus. Die Röntgenaufnahme ergab, dass der Chirurg eine Klammer im Bauch liegengelassen hatte. Er schnitt ihn wieder auf und holte die Klammer heraus. Doch die Schmerzen gingen nicht weg. Diesmal hatte der Chirurg einen Tupfer im Bauch vergessen.

Heinz erholte sich gut von den Utensilien in seinem Körper, doch vorigen Monat bekam er einen Schlaganfall. Weil seine Frau zuerst den Notarzt und dann erst den Rettungswagen angerufen hatte, weigerten sich die Krankenwagenfahrer, ihn mitzunehmen, bevor der Notarzt eingetroffen war. Das dauerte anderthalb Stunden. Als Heinz endlich im Krankenhaus angekommen war, rechneten die Ärzte mit dem Schlimmsten. Sie riefen die Familie zusammen, damit sie sich von ihm verabschieden konnte.

Drei Tage später saß Heinz aufrecht und ziemlich fröhlich im Bett. Zwar war seine linke Körperhälfte gelähmt, und er konnte nicht sprechen, aber er versuchte ständig, mit den Lippen ein Wort zu formen. Es fing mit dem Buchstaben „W“ an, so viel konnte seine Frau erkennen. Endlich kapierte sie: Er meine doch nicht etwa Whiskey, fragte sie ungläubig, und Heinz nickte freudestrahlend in der Annahme, dass sie einen halbseitig Gelähmten nicht schlagen würde. Sie erzählte die Geschichte entrüstet im Dorf, woraufhin barmherzige Freunde das gewünschte Getränk heimlich ins Hospital schafften und ihm einflößten.

Offenbar tat der Whiskey seine Wirkung, mit Heinz ging es stetig bergauf – bis die Schwestern ihn auf einen Nerven stimulierenden Massagestuhl setzten und dort vergaßen. Nachdem er eine Dreiviertelstunde durchgeschüttelt worden war, fiel er erschöpft aus dem Stuhl und zog sich schwere Prellungen zu.

Hoffentlich erholt er sich bald, denn in Irlands Krankenhäusern kann es nur noch grauenhafter werden. Morgen veröffentlicht die irische Regierung ihr Sparbudget für 2011. Es gibt Gerüchte, wonach eine Expertenkommission die Krankenhausbetten ausgemessen habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass ein zwei Meter langes und ein Meter breites Bett viel zu groß für einen einzigen Patienten sei. Heinz wird sich auf Logierbesuch einstellen müssen.