piwik no script img

Archiv-Artikel

Unerschrocken jungenhaft

Vom Heroinsüchtigen zum Jedi-Ritter, vom bisexuellen Glamrocker zum mit allen Wassern gewaschenen Ghostwriter – lässt man die Rollen Revue passieren, die Ewan McGregor in seiner nicht ganz 20-jährigen Filmkarriere gespielt hat, bekommt man den Eindruck, dass dem Mann die Angst im Nacken sitzt, langweilig zu erscheinen. Weshalb er zwischendurch auch noch die Erdkugel auf dem Motorrad von West nach Ost und von Nord nach Süd umfahren musste. Dies diente nicht nur dem Vergnügen oder dem Aufpolieren des eigenen Draufgängerimages, sondern folgte auch gemeinnützigen Absichten.

Auf den ersten Blick wirkt Ewan McGregor nämlich auch noch mit fast 40 ausgesprochen harmlos. Was dem jungenhaften Charme, dem stets verbindlichen Lächeln und durchschnittlich guten Aussehen des Schotten geschuldet sein mag. Wer ihn mit kurz rasiertem Schädel als Mark Renton in Danny Boyles „Trainspotting“ (1996) erlebt hat, ist jedoch eines Besseren belehrt. Und wer ihn als Konventionsgrenzen jeder Art überschreitende, an Iggy Pop und Lou Reed angelehnte Figur in Todd Haynes’ „Velvet Goldmine“ (1998) kennenlernte, dem konnte es schon die Sprache verschlagen, dass ausgerechnet ihm die Rolle Obi-Wan Kenobis in der neuen „Star Wars“-Trilogie angedient wurde. Der Blockbusterauftritt hatte keine Folgeschäden für McGregors Schauspielkarriere. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass seine Versuche, der von Alec Guinness geprägten Figur treu zu bleiben, stellenweise in Parodie auf sie ausarteten.

Größte Unerschrockenheit bei der Rollenwahl geht bei dem seit 15 Jahren verheirateten dreifachen Familienvater mit größter privater Diskretion einher. Humorvoll aufgelegte Filmkenner listen McGregor übrigens gerne als Rekordhalter von Szenen mit full frontal nudity auf. Seine Rolle in Roman Polanskis „Ghostwriter“, für die er nun mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, gehört nicht dazu. Die Titelrolle des unbeschriebenen Blatts, eines Mannes, der sich in andere hineinversetzen muss und erst nach und nach zu seiner Mission findet, passt ihm wie ein maßgeschneiderter Neoprenanzug.

BARBARA SCHWEIZERHOF