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Archiv-Artikel

Naturkosmetik boomt, Kennzeichnung fragwürdig

LEBEN Jeder fünfte Haushalt kauft „natürliche“ Cremes oder Shampoos. Doch was ist wirklich drin?

„Die Aussage ‚Naturkosmetik‘ ist eine Werbeaussage“

SPRECHER AGRARMINISTERIUM

BERLIN taz | Der deutsche Markt für Naturkosmetik ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2012 um zehn Prozent gewachsen. Nach Angaben des unlängst erschienenen „Jahrbuch Naturkosmetik 2014“ erwirtschaftete die Branche 2013 rund 920 Millionen Euro. Der Anteil der Ökoprodukte macht damit rund „sieben Prozent am gesamten Markt für Kosmetik und Körperpflege aus“, sagt Jahrbuch-Herausgeberin Elfriede Dambacher.

Dambacher zählt dazu die Kosmetik, die aus pflanzlichen Ölen und Fetten besteht, nur natürliche Farb- und Duftstoffe enthält und ohne heikle Emulgatoren und Konservierungsmittel auskommt. Sechs Marken dominieren: den größten Umsatz hat Weleda, es folgen Dr. Hauschka, Alverde von dm, Lavera, Logona und Alterra von Rossmann.

Zwar kauft mittlerweile jeder fünfte Haushalt in Deutschland Naturkosmetik, für die Kunden ist es allerdings schwer zu erkennen, wie viel Natur in den Produkten steckt. Und mit einem Hauch von Ginkgo oder Ringelblume wird aus einer Creme noch keine Naturkosmetik.

Das Verbrauchermagazin Öko-Test guckte im letzten Jahr genauer hin, kaufte 25 Produkte mit „grünem Anstrich“ und durchforstete die Liste der Inhaltsstoffe. Darunter etwa Palmolive Naturals Olive Feuchtigkeitsmilch Cremedusche. „Oliven und Aloe-Vera-Extrakt stecken aber nur in Spuren in der Duschcreme“, erklären die Öko-Tester. Wie in anderen Marken auch fanden sie künstliche Farb- oder Duftstoffe und andere chemische Zutaten.

Der Begriff „Naturkosmetik“ ist bis heute nicht klar definiert. Verbraucherschützer fordern seit langem ein staatliches oder EU-weit kontrolliertes Siegel für Naturkosmetik, ähnlich dem für Lebensmittel. Doch im zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist davon nicht die Rede. Eine Sprecherin erklärt: „Grundsätzlich ist die Aussage ‚Naturkosmetik‘ eine Werbeaussage.“ Die EU-Kommission habe eine eigene Unterarbeitsgruppe eingerichtet, um die Kriterien für Werbeaussagen zu untersuchen.

Die Öko-Tester empfehlen, auf Gütesiegel zu achten wie Demeter, Ecocert, NaTrue oder BDIH-kontrollierte Naturkosmetik. Das Siegel des BDIH, des Bundesverbandes Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungs- und Körperpflegemittel, prangt auf vielen Tuben und Schachteln. Es garantiert den Verzicht auf synthetische Fette und Öle, Duft- und Farbstoffe. Erlaubt sind einige naturidentische Konservierungsstoffe. Das Siegel macht aber keine Vorgaben für den Bio-Anteil insgesamt. Allerdings gibt es eine Liste mit 15 Pflanzen, die ökologischer Herkunft sein müssen – Olivenöl zum Beispiel.

Ist Naturkosmetik besser für empfindliche Haut? Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie in Wiesbaden, sagt: „Auch pflanzliche Inhaltsstoffe tragen ein Sensibilisierungsrisiko, insbesondere Korbblüter wie Kamille oder Arnika.“ Die Haut kann auch auf Naturstoffe mit Ausschlag reagieren. Es sei aber auch wenig ratsam, sich selbst Cremes anzurühren, sagt Bayerl: „Diese verderben sehr schnell, es bilden sich Keime und Pilze.“

HANNA GERSMANN