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Archiv-Artikel

Galileo hinkt hinterher

Der ursprüngliche Zeitplan für das europäische Navigationsprojekt Galileo ist schon längst über den Haufen geworfen worden. Von den 30 Satelliten, die einst das Kernstück für das Navigationssystem bilden sollen, ist erst einer auf die Reise gegangen

VON CLAUDIA BORCHARD-TUCH

Das europäische Satelliten-Navigationsprojekt Galileo hat einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht: Im bayerischen Oberpfaffenhofen wurde vor kurzem der Grundstein für das Kontrollzentrum gelegt. Der Vorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Sigmar Wittig äußert sich erfreut über den erreichten Fortschritt: „Mit der heutigen Grundsteinlegung erfolgt der erste wichtige praktische Schritt hin zu einer europäischen Eigenständigkeit im Bereich der satellitengestützten Navigation.“ Misslich ist nur, dass das ambitiöse europäische Vorhaben seinem Zeitplan schon um Jahre hinterherschleicht.

Galileo ist das europäische Gegenstück zum US-amerikanischen Global Positioning System (GPS). Europa erhofft sich von der Satelliten-Navigation ein großes Geschäft. Durch Galileo sollen bis zum Jahr 2020 rund 130.000 bis 180.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Gesamtertrag wird auf 74 Milliarden Euro geschätzt.

Im Endzustand wird Galileo aus 30 Satelliten, 50 Bodenstationen und zwei Kontrollzentren bestehen. Die ersten 4 Satelliten sollten eigentlich schon Ende 2005 auf ihrer Position im Weltall sein. Auch ein Kontrollzentrum und 25 Bodenstationen hätten längst schon im Betrieb sein sollen. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass dies nicht vor 2008 zu schaffen ist. Mit dem vollständigen System kann nicht vor 2011 gerechnet werden. Bislang hat aber gerade mal ein Testsatellit – Ende 2005 – die Erde verlassen. Viel später hätte er nicht abfliegen dürfen, sonst hätte es Schwierigkeiten gegeben: Ohne sendenden Satelliten wäre die Reservierung der Galileo-Funkfrequenzen bei der Internationalen Fernmeldeunion im Juni abgelaufen. Auch der Abflug des zweiten Testsatelliten ist bereits zweimal verschoben worden. Der Start ist nun für Frühjahr 2007 geplant.

Die Verzögerungen wurden unter anderem durch Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten EU-Staaten verursacht. „Es war nicht einfach, sich darauf zu einigen, wie Galileo als gesamteuropäisches Projekt gemanagt werden soll“, erklärt Achim Bachem, Vorstandsmitglied beim DLR. Nach langem Hin und Her haben sich die Beteiligten auf ein gesamteuropäisches Industriekonsortium geeinigt. Es setzt sich aus acht großen und Dutzenden von kleinen Unternehmen zusammen.

Alle verfolgen ein ehrgeiziges Ziel: Galileo soll besser werden als GPS. Die Genauigkeit der Positionsbestimmung wird zwischen 4 und 15 Metern liegen. „Das entspricht etwa der Präzision von GPS“, sagt Bachem. Dieser Wert gilt jedoch nur für den kostenlosen Basisdienst. Für zahlende Anwender soll Galileo weitaus genauer arbeiten – zunächst im Bereich eines Meters, später bis auf wenige Zentimeter.

„Galileo wird uns unabhängiger von den Amerikanern machen“, erklärt Bachem. GPS wird vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium kontrolliert, und in Krisensituationen kann die US-Regierung das GPS lokal verschlechtern oder gar abschalten. Während GPS nur zwei Dienste anbietet, sind es bei Galileo fünf: Der Basisdienst von Galileo sendet kostenlos Signale zur Standortbestimmung und kann Autofahrern helfen, sich zurechtzufinden. Andere Serviceleistungen dienen der sicheren Navigation auf See, in der Luft und auf der Schiene.

In Galileo soll es zudem auch einen stabilen und zugriffsgeschützten Dienst für staatliche Zwecke geben. Dieser Dienst ist für Polizei, Feuerwehr und Grenzschutz vorgesehen, könnte jedoch auch für militärische Zwecke eingesetzt werden. Ob Galileo wirklich nur – wie ursprünglich geplant – zivil genutzt werden wird, steht in den Sternen. Im vergangenen Monat schlug der EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot vor, das Satellitennavigationssystem in Zukunft auch militärisch zu nutzen. Der EU-Vertreter begründete dies mit den wachsenden Kosten: Galileo wird wenigstens viele hundert Millionen Euro mehr kosten als geplant. Durch eine militärische Nutzung könnten Gelder aus den Verteidigungshaushalten in das Projekt einfließen. Großbritannien lehnte aber sogleich eine verteidigungspolitische Nutzung von Galileo ab.

Ursprünglich ging man noch von 3 Milliarden Euro Investitionskosten aus, mittlerweile werden 6 Milliarden genannt. Ein Sprecher des industriellen Hauptauftragnehmers Galileo Industries begründete dies unter anderem mit Zeitverzögerungen und steigenden Kosten.

Deutschland hat sich bislang mit rund einer halben Milliarde Euro an den Anlaufkosten beteiligt. Noch Ende des letzten Jahres sah sich Deutschland als größter beteiligter Zahler benachteiligt und forderte, bei den Projektaufträgen stärker berücksichtigt zu werden. Die EU-Verkehrsminister einigten sich schließlich darauf, die deutsche TeleOp (bestehend aus T-Systems, DLR, EADS und der Bayerischen Förderbank) an Galileo zu beteiligen und eines der beiden Kontrollzentren am DLR-Standort Oberpfaffenhofen einzurichten.