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Archiv-Artikel

Seite? Welche Seite?

GEBRAUCHSANWEISUNG Diese Woche war die Zeit der Angriffe auf Wikileaks. Kann man die Enthüllungsplattform auf diese Weise stoppen? Wir versuchen einige Fragen zu klären

Für Firmen wie Mastercard könnte es sich noch rächen, dass sie sich auf die Seite der US-Regierung stellten

VON M. LAAFF UND D. SCHULZ

Ist die Internetseite von Wikileaks auf technischem Wege auszuschalten?

Seite? Welche Seite? Seit den ersten Angriffen auf Wikileaks haben Unterstützer der Plattform die Seite gespiegelt, das heißt unter anderem Namen nochmals im Netz publiziert. „Im Internet ist es so, dass Informationen immer dann nicht mehr zu löschen sind, wenn sie genug Aufmerksamkeit erregt haben“, sagt Frank Rieger von der Hackerorganisation Chaos Computer Club. „Denn dann werden sie weiter und weiter verbreitet.“

Warum ist die Seite wikileaks.org dann nicht online?

Um Inhalte im Internet abrufbar zu machen, ist Wikileaks wie jede Netzseite auf die Dienste von DNS-Providern angewiesen – das sind Dienstleister, die den Domainnamen, etwa wikileaks.org, mit der eigentlichen IP-Adresse, einer achtstelligen Zahlenkombination, verknüpfen. Am Freitag kündigte EveryDNS, ein US-Providerunternehmen, an, nicht mehr mit Wikileaks zusammenarbeiten zu wollen. Seitdem ist wikileaks.org nicht mehr erreichbar – weil eben keine Verbindung mehr zwischen der Internetadresse wikileaks.org und der dazugehörigen IP-Adresse besteht. EveryDNS begründet dies mit massiven DDoS-Attacken seit der Veröffentlichung der Wikileaks-Depeschen.

Und was ist eine DDoS-Attacke nun schon wieder?

Denial-of-Service-Attacken sind Angriffe, bei denen innerhalb kürzester Zeit eine riesige, automatisch gesteuerte Menge Anfragen einen Webserver überfluten. Und ihn im schlimmsten Fall lahmlegen. Dazu wird ohne Wissen tausender Computernutzer heimlich Schadsoftware auf ihren Rechnern installiert, die ferngesteuert Anfragen an die zu attackierende Adresse versendet. Konzertiert wird dies meist über sogenannte Botnetze, riesige Netzwerke, die illegalerweise gemietet werden können. Als es später darum ging, Wikileaks zu verteidigen, schlossen allerdings auch Unterstützer freiwillig ihre Rechner zu Botnetzwerken zusammen.

Und was ist mit den Computern, auf denen die Daten lagern? Man kann doch die Firmen unter Druck setzen, bei denen diese Rechner stehen, oder? Das hat auch nicht recht geklappt. Am Donnerstag vergangener Woche beschloss das US-Unternehmen Amazon, Wikileaks keinen Speicherplatz auf ihren Servern mehr zur Verfügung zu stellen – nach einem Anruf aus dem Büro des US-Senators Joe Liebermann, Vorsitzender des mächtigen Homeland-Security-Ausschusses. Dies beeinflusste den Betrieb der Hauptseite wikileaks.org jedoch nicht – weil die Daten der Enthüllungsplattform auch noch auf mehreren anderen Servern lagen. Inzwischen dürften noch weitere hinzugekommen sein.

Lässt sich Wikileaks also noch besiegen?

Alles eine Frage der Ressourcen, aber eher nein. Denn die Vereinigten Staaten müssten andere Länder dazu bewegen, auf Serverfirmen und Netzbetreiber in ihrem Territorium Druck auszuüben. „Ich glaube nicht, dass die US-Amerikaner Wikileaks noch allein unterkriegen können“, sagt CCC-Sprecher Rieger. „Dafür wäre eine bisher nie da gewesene Anstrengung vonnöten, dafür müssten sie andere Staaten ins Boot kriegen. Und von denen sind viele durch die veröffentlichten Depeschen verprellt.“

Und was ist auf dem finanziellen Weg zu erreichen?

Diese Strategie schien auf kurze Sicht Erfolg zu haben. Denn sowohl der Internetdienstleister Paypal als auch Mastercard und Visa kündigten die Zusammenarbeit mit Wikileaks auf. „Hier haben die USA ihr Monopol auf Zahlungssysteme ausgespielt“, sagt Frank Rieger. Dennoch ist nicht damit zu rechnen, dass sich beispielsweise alle Banken dem Wikileaks-Boykott anschließen. So gibt es beispielsweise das Konto der Wau Holland Stiftung noch, über das für Wikileaks gespendet werden kann und das wir hier – natürlich nur aus Anschauungsgründen – mal hinschreiben: Commerzbank Kassel

BLZ: 52040021

Konto: 2772812

Im Übrigen könnte es sich für Paypal und Kollegen langfristig noch rächen, sich so exponiert auf die Seite der US-Regierung gestellt zu haben, denn „viele Leute werden den amerikanischen Unternehmen nun nicht mehr trauen“, sagt Rieger. Nicht nur Hacker, auch Firmen sind nun misstrauisch.