„Man muss das ernsthaft angehen“

MYTHEN Gesehen hat ihn niemand, und auch die interne Hierarchie ist unklar. Denn die Weihnachtsmänner, die am Heiligabend touren, sind ja nur „Gehilfen“ des obersten Chefs. Warum das Spaß macht, erklärt ein Beteiligter

■ der 54-Jährige ist Betriebswirt und nimmt dem Weihnachtsmann Heiligabend-Touren im Kieler Raum ab Foto: privat

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Herr Nikolaus, warum sind Sie Weihnachtsmann geworden? Haben Sie am 24.  12. nichts anderes vor?

Niko Laus: Die Frage stellt mir meine Familie seit 25 Jahren. Ich würde sagen, es mach mir einfach Spaß.

Wie hat Ihre Weihnachtsmann-Karriere angefangen?

Als ich in den Achtzigern mit meinen beiden damals kleinen Söhnen über den Husumer Weihnachtsmarkt ging und einen Weihnachtsmann in einem billigen Karstadt-Mantel, mit Wattebart und Maske sah. Da dachte ich spontan: Das kann ich besser! Ich studierte damals noch und brauchte ein bisschen Geld, also habe ich mich kundig gemacht, bei einem Faschingsversand einen guten Mantel besorgt, und angefangen.

Wie haben Sie Ihren Söhnen erklärt, dass Sie Heiligabend zu fremden Kindern gehen?

Ich bin immer so rechtzeitig zuhause gewesen, dass wir spätestens um 18.30 Uhr bescheren konnten.

Wie haben Sie Ihre Kunden gefunden?

Ich habe in der Vorweihnachtszeit eine ganz simple Anzeige geschaltet, auf die sich etliche Familien gemeldet haben. Gleich im ersten Jahr habe ich sieben oder acht Familien aufgesucht.

Hatten Sie vor Ihrem erster Auftritt Lampenfieber?

Nein, ich war ja vorbereitet und hatte mir genau überlegt, wie die 15, 20 Minuten in den Familien ablaufen sollten. Dann habe ich mich vorbereitet wie ein Schauspieler. Man muss das schon mit Ernsthaftigkeit angehen.

Gibt es Verhaltensregeln für Weihnachtsmänner?

Ja, natürlich, die sind ja seit zwei Jahren auch im so genannten „Weihnachtsmann-Ehrencodex“ festgeschrieben. Abgesehen davon, dass der Weihnachtsmann freundlich und großzügig ist, flucht, isst, trinkt und telefoniert er nicht im Kostüm.

Er darf nicht telefonieren?

Nein. Diese moderne Technik ist nichts für ihn.

Und das Ess- und Trinkverbot...

... gründet sich darauf, dass man erstens das Kostüm nicht bekleckern und andererseits den Bart ja nicht hochklappen und somit als künstlich entlarven darf. Rauchen ist für uns Weihnachtsmänner natürlich auch streng verboten. Denn wir sind ja Vertreter des richtigen, des einzig wahren Weihnachtsmannes.

Sie haben noch einen Chef?

Ja. Mauri Kunnas‘ hat ihn in seinem Buch „Wo der Weihnachtsmann wohnt“ beschrieben. Wir hier sind ja nur die Helfer, die sich in Vertretung des richtigen Weihnachtsmanns „Weihnachtsmann“ nennen dürfen.

Und die Weihnachtsmänner in Fußgängerzonen sind Helfer zweiter Klasse?

Kann man so sagen, ja.

Haben eigentlich manche Kinder Angst vor Ihnen?

Das kommt vor, ja. Meist sind das Kinder, die von ihren Eltern bange gemacht worden sind. Wenn ich so etwas bemerke, gehe ich sehr vorsichtig vor und erwähne nur die positiven Dinge, die mir die Eltern ins Goldene Buch diktiert haben. In dem Moment bin ich Dienstleister für die Kinder, und ich möchte nicht, dass da geweint wird. Ich möchte, dass sie ihren Glauben eine Zeit lang bewahren, denn diese Magie im Leben ist für Kinder wichtig. Deshalb finde ich, dass auch rational denkende Eltern Kindern nicht ihre eigene Nüchternheit aufdrängen sollten.

Schlagen Sie Familien manchmal Wünsche ab?

Ja. Eine Rute und so etwas gibt es bei mir nicht. Außerdem gibt es für mich eine Altersgrenze: Neulich wollte ein Vater, dass ich seine zehn- und zwölfjährigen Kinder besuche. Das habe ich abgelehnt. Mit acht, neun Jahren muss der Weihnachtsmann-Glaube langsam erledigt sein.

Folglich gehen Sie nie in reine Erwachsenen-Runden?

Doch, das passiert auch. Es ist ein neuer Trend, dass Erwachsene einander mit dem Weihnachtsmann überraschen. Neulich hat die Mutter eine 28-Jährigen angerufen, die als Bänkerin Karriere gemacht hatte und so gern mal den Weihnachtsmann erleben wollte. Das hab ich dann gemacht – allerdings nicht zur Heiligabend-Kernzeit, die gebührt wirklich den Kindern –, und es war eine Riesengaudi für uns alle. Eine andere Frau wollte ihren Partner, einen Weihnachtsbaumverkäufer, mit dem Weihnachtsmann überraschen. Auch dort bin ich hingegangen. Der Mann war vorbereitet und konnte sogar ein Gedicht aufsagen. Es hatte also alles seine Ordnung.

Eigentlich widersprechen solche Auftritte ja Ihrem Ethos.

Einerseits schon. Andererseits steht im Weihnachtsmann-Ehrencodex ja, dass der Weihnachtsmann alle Kinder mag – von Null bis 100. Und Kinder sind wir alle – hoffentlich – geblieben.