: Aufsichtsbehörde stimmt für Überholspuren im Internet
USA Nur wer höhere Gebühren zahlt, soll ein Anrecht auf schnelle Internetverbindungen haben. Die Internetanbieter habe dafür Millionen in Lobbyarbeit investiert. Aktivisten kündigen Protestsommer an
DEMOKRATIN JESSICA ROSENWORCEL
NEW YORK taz | Wenn es nach der Mehrheit der Aufsichtsbehörde für Telekomunikation (FCC) geht, werden die USA ganz offiziell eine Gesellschaft der zwei Geschwindigkeiten: Nur wer höhere Gebühren zahlt, soll Anrecht auf schnelle und verlässliche Internetverbindungen haben. Die anderen Internetnutzer sollen sich mit der Schneckengeschwindigkeit zufrieden geben. Bevor diese Entscheidung Realität wird, sind noch vier Monate lang landesweite öffentliche Anhörungen geplant. Internetaktivisten kündigen einen „Sommer der Netzneutralität“ an.
In der Aufsichtsbehörde FCC in Washington stimmten die drei demokratischen Mitglieder für die „Überholspuren“ im Internet. Die beiden republikanischen Mitglieder stimmten dagegen. Kurz vor der Abstimmung wurden mehrere Zwischenrufer aus dem Saal eskortiert. Die Internet-Riesen der USA – Comcast, Time Warner, Verizon, ATT, die auch weltweit eine entscheidende Rolle für die Internetkommunikation spielen – wollten diese Entscheidung und haben Millionen von Dollars in Lobbyarbeit investiert. Zahlreiche Technologiefirmen – darunter große wie Netflix, Google und Facebook sowie kleinere Start-ups – befürchten, dass die großen Kabelanbieter die Einführung von gebührenpflichtigen Überholspuren nutzen werden, um zusätzliche Gebühren von ihnen und von den Kunden zu verlangen.
Angesichts der wachsenden Proteste gegen den Vorstoß sind inzwischen selbst die Befürworter in der FCC skeptisch geworden. Die Demokratin Jessica Rosenworcel sagte nach ihrem Ja-Votum am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Washington selbstkritisch: „Wir bewegen uns zu schnell, um fair zu sein.“
In den USA ist die Internetversorgung schon jetzt extrem ungleich. Im internationalen Vergleich sind die Internetangebote langsamer als in sämtlichen EU-Ländern und kosten dreimal so viel wie in Frankreich und fünfmal so viel wie in Südkorea. Bei Vergleichen der OECD rangieren die USA bei den Downloadgeschwindigkeiten im internationalen Vergleich ganz hinten.
Wettbewerb und eine staatliche Kontrolle der Kabelanbieter findet in den USA kaum statt. Die großen Kabelanbieter haben das Land in Gebiete eingeteilt, in denen jeweils einer von ihnen das Monopol hält. Monatliche Gebühren für Internetverbindungen von mehr als 200 Dollar sind selbst in den Ballungsräumen an Ost- und Westküste die Regel. Einzelne Städte in den USA, darunter Lafayette in Louisiana, haben als Gemeinden Hochgeschwindigkeitsleitungen verlegt, um den Anschluss an die Moderne des Internets nicht zu verpassen. Dagegen ziehen die Kabelanbieter vor Gericht: wegen „Wettbewerbsverzerrung“.
In 19 Bundesstaaten konnten die Lobbyisten der Kabelanbieter Gesetze durchsetzen, die kommunale Kabelnetze grundsätzlich verbieten. DOROTHEA HAHN