Kein Heroin mehr in Hannover

Mehr als drei Jahre lang wurde in Niedersachsen Heroin an Schwerstabhängige abgegeben. Jetzt steht das Modellprojekt vor dem Aus. Hamburg sucht dagegen Wege, auch im kommenden Jahr Diamorphin an Junkies abgeben zu können

VON KAI SCHÖNEBERG
UND ELKE SPANNER

Die Zeichen stehen auf Abbruch: „Wenn nicht bis Ende November eine Entscheidung getroffen ist, wickeln wir das Heroinprojekt ab“, sagt Heiner Peterburs vom hannoverschen Drogenhilfeträger Step. Seit über drei Jahren vergleicht ein Modellversuch in sieben Städten die Abgabe von Heroin und dem Ersatzstoff Methadon an etwa 1.000 Schwerstabhängige – auch in Hamburg und Hannover. Die Heroinvergabe habe sich „positiv auf die soziale und gesundheitliche Situation der Abhängigen ausgewirkt“, betont Peterburs. „Außerdem hat es die Gesellschaft entlastet: Die Beschaffungskriminalität der Patienten ist massiv gesunken.“

Dennoch musste er bereits ein Ausstiegsszenario für seine derzeit 35 Heroin-Patienten erstellen. Viele werden wohl künftig wieder mit Methadon behandelt. Der Grund: Morgen wollen sich Spitzen von CDU- und SPD-Bundestagsfraktion in Berlin über die Zukunft der Heroinvergabe verständigen. Diamorphin, ein synthetisch hergestelltes Heroin, müsste als Arzneimittel zugelassen werden. Dagegen sträuben sich viele in der CDU. „Ein Ende würde eine Verschlechterung der Gesundheit und ein Abdriften in den illegalen Drogenkonsum für viele Patienten bedeuten“, sagt Christian Haasen vom Hamburger Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung.

Haasen leitet den deutschen Modellversuch, die größte vergleichende Untersuchung, die es je gab. Seine Ergebnisse bestätigen, was aus der Schweiz und den Niederlanden längst bekannt ist: Süchtige, die mit Diamorphin behandelt werden, lösen sich aus der Drogenszene, ihr Gesundheitszustand verbessert sich, sie werden therapiefähig. Anders als bei der Methadonbehandlung sinkt der Beigebrauch illegaler Drogen, die Patienten stabilisieren sich und bauen wieder soziale Kontakte auf.

Die Heroinabgabe sei dreimal so teuer wie die Methadonbehandlung, argumentiert hingegen die CDU. Auf ihrer Seite: die Krankenkassen, die den Stoff bezahlen müssten. Nicht eingerechnet seien jedoch die „gesellschaftlichen“ Kosten, die durch Beschaffungskriminalität entstehen, entgegnen Heroin-Befürworter. „Für eine Fortführung des Projekts“ hatte sich die Gesundheitsexpertin der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, Heidemarie Mundlos, noch im Mai ausgesprochen. Inzwischen ist sie eingeknickt, weil sie in den eigenen Reihen keine Mehrheit findet. „Mit der CDU wird es kein Heroin auf Krankenschein geben“, sagt sie heute.

Auch in Hamburg fiebert man auf das Berliner Spitzentreffen hin. Hier bekommen noch 85 Junkies regelmäßig Heroin. Die Arbeit der Ambulanz sei ein „sehr großer Erfolg“, sagt der Sprecher der CDU-geführten Gesundheitsbehörde, Hartmut Stienen. Auch Jens Bonnet, Sprecher des Trägers Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) betont, dass man die Klienten schon nach kurzer Behandlungszeit „nicht wiedererkennt“.

Auf Drängen der FDP-Fraktion stehen dem Projekt in Hannover im kommenden Jahr noch einmal 200.000 Euro zur Verfügung – je nach Berliner Entscheidung entweder zur Abwicklung oder für die übergangsweise Fortführung des Projekts.

Hamburger Junkies haben es vermutlich besser. Sie sollen auch 2007 in der Ambulanz behandelt werden. Zwei Möglichkeiten sind dafür in der Diskussion. Möglich wäre laut Stienen, eine „Follow-up“-Studie durchzuführen, also das abgeschlossene Modellprojekt um ein weiteres zu ergänzen. Hamburg könnte auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Diamorphinbehandlung im „besonderen öffentlichen Interesse“ beantragen – so lange, bis das Diamorphin als Arzneimittel zugelassen ist. Dieses Interesse sieht die Hamburger Gesundheitsbehörde, Niedersachsen nicht. „Das Problem“, sagt die niedersächsische CDU-Abgeordnete Mundlos, „kann nur auf Bundesebene gelöst werden“.