: „Totaler Krieg“ mit Boko Haram
NIGERIA Gipfel in Paris beschließt grenzüberschreitende Kooperation gegen Islamisten. Frankreich schließt direktes Eingreifen aus. Chinesische Arbeiter in Kamerun entführt
VON DOMINIC JOHNSON
BERLIN taz | Der Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, die in Nigeria Tausende Menschen getötet hat und aktuell über 230 entführte Schülerinnen in ihrer Gewalt hält, wird internationalisiert. Auf einem Sondergipfel in Paris am Samstag beschlossen die Präsidenten von Nigeria, seinen Nachbarländern Benin, Kamerun, Niger und Tschad sowie Frankreichs „koordinierte Patrouillen“, Informationsaustausch, eine Regionalstrategie zur Terrorbekämpfung sowie einen Vorstoß für Sanktionen auf UN-Ebene. Nächsten Monat soll ein Folgetreffen in Großbritannien stattfinden.
Der relativ dünne Inhalt des Gipfeldokuments steht im Widerspruch zu den markigen Äußerungen der Gipfelteilnehmer. „Wir sind entschlossen, gegen Boko Haram Krieg zu führen, totalen Krieg“, sagte Tschads Präsident Idriss Déby. Frankreichs Präsident François Hollande sagte: „Die Bedrohung ist ernst und gefährlich für die Region, Afrika und Europa.“ Sein nigerianischer Amtskollege Goodluck Jonathan meinte: „Boko Haram ist nicht mehr eine lokale Terrorgruppe, es ist Westafrikas al-Qaida. Wir werden diese Terroristen nicht vernichten können, ohne dass westafrikanische Länder zusammenkommen.“
Hollande hatte zum Gipfel geladen, weil zunehmend deutlich wird, dass Boko Harams Aktivitäten immer mehr auf Nigerias Nachbarn übergreifen, allesamt ehemalige französische Kolonien. Boko Haram unterhält Rückzugsbasen und Stützpunkte in Kamerun und Niger.
Nigerias Präsident Goodluck Jonathan wurde im eigenen Land heftig dafür kritisiert, nach Paris gereist zu sein statt nach Chibok, dem Ort im Nordosten Nigerias, wo Boko Haram in der Nacht zum 15. April rund 300 Schülerinnen verschleppt hatte. Die Suche nach den Mädchen mobilisiert unter der Parole „Bring Back Our Girls“ die Weltöffentlichkeit, und Nigerias Staat steht dabei in scharfer Kritik. Medienberichten zufolge soll der Präsident seine Reise nach Chibok abgesagt haben, weil er Angst vor unzufriedenen Soldaten hatte.
Die Sorge, dass es in Nigerias Militär rumort, dürfte die in Paris eingeläuteten regionalen Bemühungen um effektivere militärische Zusammenarbeit bremsen. Frankreich hat ausgeschlossen, selbst mit Soldaten gegen Boko Haram aktiv zu werden. Stattdessen könnten aber die ständig in Tschads Hauptstadt N’Djamena stationierten französischen Spezialkräfte und Kampfjets zum Einsatz kommen. Als erster Schritt will Nigeria jetzt vom Tschad die Erlaubnis, auf der Jagd nach Boko Haram die tschadische Grenze zu überschreiten; mit Niger gibt es eine solche Vereinbarung schon.
Während die Präsidenten tagten, blieb Boko Haram aktiv. In der nordkamerunischen Stadt Waza überfielen islamistische Kämpfer am Freitag eine Baustelle der chinesischen Baufirma Sinohydro und entführte zehn chinesische Arbeiter. Im nordostnigerianischen Dorf Ngurosoye überfielen Bewaffnete am Samstag den Markt und töteten 29 Menschen.
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