piwik no script img

Archiv-Artikel

„Konkrete Zusagen gab’s nicht“

Dennoch verlief das erste Gespräch zwischen Jugendlichen, Polizei und Vertretern der Politik im Wrangelkiez positiv, sagt Hiphopper Senol. Alle Seiten hätten ihre Anliegen offen vortragen können

Interview PLUTONIA PLARRE

taz: Senol, Sie haben am Montagabend bei der Gesprächsrunde über die Vorfälle im Wrangelkiez die dortigen Jugendlichen vertreten. Gab es konkrete Ergebnisse?

Senol: Das nicht. Aber wir haben ein paar Schritte vorwärts gemacht und unsere Anliegen erörtert. Jede Seite hat ihre Version der Geschichte von sich gegeben.

Die Polizei wollte vor einer Woche zwei zwölfjährige Raubverdächtige in der Wrangelstraße festnehmen. Dabei fühlte sie sich von einer Menschenmenge behindert.

Die Polizei hat das Protokoll der Beamten wiedergegeben. Wir haben vorgebracht, dass wir das alles ein bisschen übertrieben fanden.

Was genau?

Die Art und Weise, wie die Jungs festgenommen wurden. Die Handschellen und das rabiate Vorgehen. Außerdem haben wir gesagt, dass das keine 80 bis 100 Jugendlichen waren, die drumherum gestanden haben, sondern hauptsächlich Anwohner.

Was hat die Polizei vorgebracht?

Die Zivilbeamten, die am Dienstag eingesetzt waren, haben sich nicht im Kiez ausgekannt. Das waren ortsfremde Polizisten, die sonst in Friedrichshain unterwegs sind. Wir haben an diesem Punkt nachfragt, weil wir uns das gedacht haben.

Was haben die Vertreter der Polizei noch gesagt?

Dass sich die Beamten absichern mussten, daher die Handschellen. Da spiele das Alter der Festgenommen nicht so eine Rolle. Zudem liege es in der Entscheidung des jeweiligen Beamten vor Ort. Mit dieser Erklärung waren wir fürs Erste zufrieden.

Wie geht’s jetzt weiter?

Es wurde darüber gesprochen, wie man ein bisschen mehr Rücksicht auf die Situation im Kiez nehmen kann. Dass es gut wäre, wenn Beamte als Ansprechpartner für die Anwohner vor Ort wären. Dass man keine Gewalt auf der Straße haben will. Wir haben betont, dass wir das auch nicht wollen. Um mehr Verständnis für die Arbeit der Polizei zu bekommen, will man Informationsveranstaltungen für Leute aus dem Kiez machen, die da nicht so einen Überblick haben, wie der Rechtsstaat funktioniert. Und dass man sich ein bisschen regelmäßiger trifft.

Das klingt ziemlich gut.

Das Gespräch ist auch sehr gut gelaufen. Unser größtes Anliegen ist, dass wir hier im Kiez einen Treffpunkt kriegen.

Es gibt doch mehrere Jugendeinrichtungen.

Das Ding ist, dass die meisten Jugendlichen da nicht reinkommen. Es gibt keinen Treffpunkt, wo die Jungs reingehen und abhängen können. Auch viele junge Erwachsenen hier würden gern von Angeboten profitieren. Wir möchten die Einrichtung zusammen mit Sozialarbeitern autonom leiten. Wir jungen Erwachsenen könnten vieles an die Jugendlichen weitergeben. Man muss uns nur machen lassen. Die Sprache der Gewalt ist hier schon populär geworden. Wir würden gern dagegen vorgehen.

Wie sind Sie verblieben?

Eine konkrete Zusage haben die uns nicht gemacht. Die Jugendstadträtin will sich aber dahinterklemmen. Wir haben sie aufgeklärt, dass die Jugendeinrichtung Kreuzer e.V. ein riesiges Haus ist, aber nur für ein paar Stunden am Tag offen ist. Ansonsten ist das eine geschlossene Einrichtung. Die Sozialarbeiter sind nicht in der Lage, auf die Jugendlichen zuzugehen. In zwei Wochen will sich die Jugendstadträtin mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kiez treffen. Ich glaube, sie will das noch mal von den Leuten selber hören.

Hätte es also kaum besser laufen können?

Wir sind auch mit der Reaktion der Polizei sehr zufrieden. Unter anderem deshalb, weil Polizeipräsident Dieter Glietsch das Ermittlungsverfahren gegen die Beamten sehr schnell in die Wege geleitet hat. Das hat eine positive Basis geschaffen.

Mehmet S., ein Jugendlicher aus dem Kiez, hatte sich über rassistische Beleidigungen durch Polizisten beklagt. Polizeipräsident Glietsch hat im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag erklärt, Mehmet S. habe das lediglich in Zeitungsinterviews gesagt, nicht aber als Zeuge bei der Polizei.

Als wir die Anzeige bei der Polizei aufgeben wollten, hat man uns erzählt, dass schon eine Anzeige läuft. Am Freitag wird Mehmet zur Vernehmung gehen. Viele von uns wollen ihn begleiten. Er hat extremen Schiss.

Wovor?

Vor Repressalien der Polizei. Montagabend bei dem Treffen war er kurz vorm Heulen. Das ist für einen Jungen mit seinem Status im Kiez nicht gewöhnlich. Normalerweise markiert man immer den Harten.

Stimmt es, dass Mehmet schon wegen Landfriedensbruch aktenkundig ist?

Das sind sehr viele Jugendliche hier. Ich kenn keinen, der nicht mit der Polizei in Kontakt war.