: Süßer die Kassen nie klingeln
VERWERTUNGSRECHTE Fürs Kopieren von Weihnachtsliedern werden Gema-Gebühren fällig – das erfuhr ein Kindergarten in Hannover
Wenn Kindergartenkinder bei der Weihnachtsfeier Rolf Zuckowskis Smash-Hit „In der Weihnachtsbäckerei / gibt es manche Leckerei“ singen, müssen die Erzieherinnen aufpassen: für die kopierten Noten der Flöten-Kinder und die Liedtexte der Chorsänger werden Gebühren fällig. Die VG Musikedition, eine Verwertungsgesellschaft, die die Rechte an Noten und Liedtexten schützt, lässt derzeit von der Gema Infobriefe an Kindertagesstätten verschicken. Einer ging an den Kindergarten der St. Philippus-Kirchengemeinde in Hannover.
Man könne sich Lizenzverträge mit verschiedenen Staffelungen zuschicken lassen, heißt es in dem Brief. 500 Kopien kosten 56 Euro, für 20.000 gibt es einen kleinen Rabatt: sie kosten 2.224 Euro.
Bei der Leitung des St. Philippus-Kindergartens stößt der Infobrief auf Unverständnis: „Eine Kopie ist nur die modernere Variante des Abschreibens“, sagt Leiterin Monika Freier. Warum sie für die Bildung der Kinder draufzahlen soll, sei ihr nicht klar. Sie verfüge auch nicht über die Kapazitäten für die bürokratische Abwicklung. Es müssen Formulare ausgefüllt, Verträge geschlossen und viermal im Jahr Bilanz gezogen werden – ein großer Aufwand für eine Kopie.
Doch das Gesetz will es so: Gemäß § 15 Urheberrechtsgesetz (UrhG) steht allein dem Komponisten das Vervielfältigungsrecht zu. „Bei der Preisgestaltung wurde sorgsam abgewägt zwischen den Interessen der Urheber und dem Bildungsauftrag der Kindergärten“, versichert der Geschäftsführer der VG Musikedition, Christian Krauß. Darum habe man ja in den Infobriefen extra die gestaffelten Tarife angeboten.
Für die Schulen ist ein ähnliches Tarifangebot bereits in Kraft, seitdem sind Zuckowski-Lieder wie „Sind die Finger rein? Du Schwein!“ bei der Weihnachtsfeier dort kein Problem mehr. Die Kultusministerien der Länder hätten sich der Sache angenommen, sagt Musikeditions-Geschäftsführer Krauß. Für ihre Schulen zahlten sie verschiedenen Verwertungsträgern, darunter der Musikedition, eine Art Pauschale für anfallende Lizenzgebühren.
Die Stadt Hannover lehnt es allerdings ab, diese Lösung auf Kitas zu übertragen. „Wir schließen keine Verträge ab, sondern regeln es so, dass wir keine Verträge brauchen“, sagt Pressesprecherin Konstanze Kalmus.
Eine Möglichkeit wäre, auf Kopien zu verzichten – dann müssen die Kindergärten allerdings aufpassen, dass die Zuckowski-Lieder nicht öffentlich gesungen werden. In diesem Falle nämlich schreitet ebenfalls die Gema ein: Nicht nur die Kopien von Zuckowskis Werken, auch ihre öffentliche Wiedergabe ist geschützt und zöge somit Gebühren nach sich.
Doch es gibt eine Hintertür: die Weihnachtslieder müssen nur alt genug sein, dann sind Aufführung und Vervielfältigung umsonst. „Da das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod der Komponisten erlischt, sind alte Weihnachtslieder nicht mehr geschützt“, sagt Gema-Sprecher Peter Hempel. „Die Nutzung und Kopie ist damit frei – sofern es sich um keine bearbeitete Fassung handelt.“
Für die Kindergärten bedeutet das: „Alle Jahre wieder“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ können ohne Bedenken auf Weihnachtsfeiern gesungen werden, sei es mit und ohne Kopien, öffentlich oder nicht. Es muss ja nicht immer Zuckowski sein. ELENA OCHOA