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Archiv-Artikel

Der Geschmack der Wirtschaft

Hochschulrektoren und Wirtschaftsvertreter waren sich bei einer Tagung des Stifterverbands in Bonn einig: Die Universitäten sollen noch wettbewerbsorientierter arbeiten. Als Vorreiter gilt Nordrhein-Westfalen. Studierende wurden nicht gehört

Der Stifterverband setzt auf Leistung durch schärferen Wettbewerb und bejubelt „die stärksten Veränderungen seit dem Krieg“

AUS BONN DIRK ECKERT

Mission erfüllt. Das konnte NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) bei einer Tagung des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft gestern in Bonn vermelden. Denn das neue NRW-„Hochschulfreiheitsgesetz“ geht genau in die Richtung, die sich der Verband, ein Lobbyverein der deutschen Wirtschaft, seit Jahren für die Hochschulen wünscht: Wettbewerb unter den Hochschulen bei staatlicher Finanzierung nach Leistungskriterien. „Planerische Einzelentscheidungen des Staates wird es künftig nicht mehr geben“, versprach Pinkwart.

All das hatte der Stifterverband schon vor zehn Jahren in seinem Bad Homburger Thesen gefordert. „Vieles war geradezu ein Tabu-Thema“, befand Andreas Schlüter, Generalsekretär des Verbands. Damals seien Studiengebühren rundweg abgelehnt worden, inzwischen hätten sie viele Bundesländer eingeführt. So viele Veränderungen wie in diesem Jahr habe es in der Hochschulpolitik „in der gesamten Zeit nach dem Krieg“ nicht gegeben, jubelte der Generalsekretär.

Die Exzellenzinitiative, in Nordrhein-Westfalen die Studiengebühren und das „Hochschulfreiheitsgesetz“ sind so ganz nach dem Geschmack der Wirtschaftslobby, die in der Hochschulpolitik auf mehr Leistung durch schärferen Wettbewerb setzt. Dementsprechend gut war die Stimmung beim Stifterverband, der die Tagung gleich „Nach der Deregulierung“ genannt hatte.

Das ist natürlich übertrieben. Nicht alle Bundesländer sind so weit gegangen wie Nordrhein-Westfalen, wo die Universitäten und Fachhochschulen zum Jahreswechsel zu Körperschaften öffentlichen Rechts werden. Das kann aber noch kommen. Die Hochschulfunktionäre, die nach Bonn gekommen waren – Rektoren, Kanzler, Personalchefs und andere – befürworteten die Deregulierung der Hochschulen weitgehend. Jedenfalls solange der Staat die Finanzierung sicherstellt. Lothar Zechlin, Rektor der Universität Duisburg-Essen, warnte allerdings, dass die Veränderungen den Hochschulen auch viel abverlangen. Bessere Leistungen durch mehr Wettbewerb werde es deshalb „erst nach Jahren“ geben, prophezeite er. Und nur, wenn der Staat bis dahin die einmal gesetzten Regeln nicht dauernd ändere.

Die Deregulierer berufen sich ausgerechnet auf Humboldt. Der Übervater aller deutschen Bildungsreformer wird gern als Kronzeuge gegen Marktorientierung der Wissenschaften benutzt. Der Stifterverband aber liest ihn anders. Humboldt habe die Hochschulen nur von Staats wegen reformiert, um sie danach wieder in die Selbstständigkeit zu entlassen, erläuterte Manfred Ehrhardt, ehemaliger Generalsekretär des Stifterverbands. Humboldt habe also im Wesentlichen neue Qualitätsstandards eingeführt. Genau so soll es künftig nur noch sein. „Für Qualitätskontrolle bleibt der Staat auch nach der Deregulierung verantwortlich“, skizzierte Erhardt seine Vision. Und übrigens auch für „neugiergetriebene Grundlagenforschung“. Auch die könne man nicht unbesorgt den Privaten überlassen.

Demokratie und Mitbestimmung an der Hochschule spielen in solchen Modellen keine Rolle mehr. Dass es bei der Deregulierung auch darum geht, die Folgen von 1968 – von Errungenschaften sprach natürlich niemand – zu beseitigen, machte indirekt Rektor Zechlin deutlich. Erst mit der Massenuniversität und der Studentenbewegung, sagte er, sei es überhaupt zu einer Regulierung der Hochschulen gekommen, wie es sie heute gebe.

Unter den Rednern waren bezeichnenderweise keine Studierenden.