köhler vs. rüttgers : Seltene Krankheiten
Am Dienstagabend war die Frau des Bundespräsidenten zu Gast im Fernsehen. Eva Luise Köhler warb bei „Maischberger“ für mehr Aufmerksamkeit gegenüber seltenen Krankheiten. Schon gestern konnte die First Lady einen Erfolg vermelden: Offenbar hat auch ihr Mann das Thema für sich entdeckt. In Bochum machte sich Bundespräsident Horst Köhler stark für einen sehr kranken und wenig populären Patienten – das Versicherungsprinzip, diese „zentrale zivilisatorische Leistung“ des Sozialstaates.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Köhlers Gattin kann sich mehrfach freuen: Als amtliche Wohltäterin der Republik und ehemalige Wahlkämpferin der Sozialdemokraten. Denn ihr Gatte, der CDU-Bundespräsident, hat sich mit dem Bekenntnis zur aufkommens- und altersunabhängigen Auszahlung des Arbeitslosengeldes selbst für seine Verhältnisse ungewohnt brachial in die tagespolitische Diskussion eingemischt und das schadet – so oder so – der CDU. Aber vor allem schadet es Jürgen Rüttgers. Denn der wirtschafts- und bankennahe Köhler hat gegenüber Unternehmern in Bochum auf den Punkt gebracht, was der NRW-Ministerpräsident mit seiner ALG-Revision wirklich macht.
Rüttgers hat erst eine Gerechtigkeitslücke herbei geredet, dann den Zorn der Mittfünfziger angestachelt und seiner Lieblingszielgruppe schließlich mehr soziale Sicherheit versprochen – auf Kosten der Gesamtgesellschaft. Rüttgers torpediert damit den Sozialstaat; übrigens auch dann, wenn seine Langzeitarbeiter ein Langzeitarbeitslosengeld bekommen sollten, dass nicht bei Jüngeren zusammen gekürzt wird. Wer im Sozialstaat einmal das Aufrechnen beginnt, rüttelt an den Grundpfeilern.
Die Kritik ihres Ehemanns wird die First Lady übrigens auch deshalb freuen: Ein Gesundheitswesen, dass sich an Rüttgers‘ Gerechtigkeitsgefühl orientiert, könnte sich den teuren Kampf gegen seltene Krankheiten wohl kaum leisten.