ZWISCHEN DEN RILLEN
: Es klingt so nach Urlaub

Laetitia Sadier: „The Trip“ (Drag City/Rough Trade)

Eigentlich klingt sie ja so wie immer. Und dann wieder überhaupt nicht: Denn sie ist luftiger geworden, frischer, erwachsener, sogar mutiger. Die Rede ist von Laetitia Sadier, der ehemaligen Chanteuse von Stereolab, die nach ihrem Projekt Monade mit „The Trip“ ihr offizielles Solodebüt vorlegt. Tatsächlich sind Stereolab und Monade dafür bekannt, ihrer im Grunde ewiggleichen Musik stets eine neue Nuance hinzuzufügen. Diesmal hat Sadier aber eher reduziert, entschlackt. Was auf „The Trip“ fehlt, sind nämlich die ewig leiernden Orgeln und die bräsigen Bläser: und damit auch die Spröde, die so viele ihrer Platten bislang wie eine Staubschicht belegt hatten.

Vielleicht liegt es daran, dass Sadier jetzt allein musiziert, ohne ihren Ex-Mann und Soundtüftler Tim Gane und ohne feste Band. Stattdessen hat sie sich auf zwei Quellen verlassen, zum einen auf den von Saddle Creek bekannten Richard Swift (plus Yuuki Matthews), der hier fleißig mitmusiziert, zum anderen auf Julien Gasc und Emma Mario, die schon auf dem letzten Monade-Album zugegen waren. Gasc kann diesen herrlich zupfigen 60s-Bass spielen. Oder es liegt schlicht am guten Songmaterial, das Sadier mit zweieinhalb guten Coverversionen ergänzt, mit „By the Sea“ (Wendy & Bonnie), dem 80s-French-Disko-Hit „Un Soir Un Chien“ von Les Rita Mitsouko und einer Variante auf „Summertime“ von Gershwin.

Und es klingt so nach Urlaub. Nach Besinnungsferien, die Frau Sadier mal nehmen musste. Nach herbstlicher Landpartie, unterbrochen durch Ausflüge in ein Tanzlokal, in einen Barbershop und auf den Weinberg in der Heimat (das zweite französische Stücke heißt „Ceci est le coeur“).

Laetitia Sadier, mittlerweile 42 und damit eine der letzten der großen Indie-Rock-Damen der neunziger Jahre, auch wenn ihre Karriere sich ganz allmählich in Kleinheiten verliert (was sich mit dieser Platte natürlich ändern könnte, ja müsste), hat ja auch schon so einiges hinter sich. Die Ehe mit Tim Gane ist gescheitert, das aus der Ehe erwachsene Kind ist mittlerweile schon zwölf. Das Mutterschiff Stereolab stellte seine Expedition ein, 2009 war das, die Plattenfirmen wurden allmählich kleiner, das Nachfolgeprojekt Monade, das ihre Drift ins Eigenständige sein sollte, schien nur ein blasses Beiboot. „The Trip“, das übrigens nicht wirklich etwas von Drogenerfahrung hat – die Phase haben Stereolab mit „Peng!“ leider arg früh für sich abgeschlossen – erscheint nun auf Drag City, dort also, wo auch Ex- und Wiederlabelkameradin Scout Niblett mittlerweile gelandet ist.

Das Leben und seine Unwägbarkeiten: Mary Hansen, zweite Frau bei Stereolab, wurde vor fast genau acht Jahren in London von einem Lastwagen zu Tode gefahren, und kürzlich musste Sadier den überraschenden Verlust ihrer Schwester Noelle verkraften. Ihr ist auch dieses Album gewidmet. Es ist aber keinesfalls ein todtrauriges Album geworden, die Trauer durchzieht höchstens leicht wie Frühnebel die ansonsten wie gesagt luftigen Stücke.

Was ebenso fehlt wie das Spröde, ist das Verkopfte. Sadier ist sicher immer noch eine musizierende Intellektuelle, verlässt sich aber zunehmend auf Stimmung und Gefühl, und davon lebt die Musik hier, die auch leise Jazz-Anklänge hat, und sich ansonsten gern auf die Sixties-Tupfer und Krautrockreferenzen verlässt, die schon Stereolab ausgezeichnet hatten. Aber es ist, so gesehen, ein erstes, pures Singer-/Songwriter-Album geworden. „The Trip“ von Laetitia Sadier, vielleicht eine Reise in den Kanon und wieder zurück. Ein Ticket in eine eigene Welt. Auf jeden Fall das Bezauberndste, was man von ihr, von der ehemaligen Besatzung von Stereolab überhaupt, seit langem gehört hat. Seit sehr langem. Etwas Licht im Herbst.

RENÉ HAMANN