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Archiv-Artikel

Bundeswehr nach Darfur?

Sudan lehnt UN-Truppen in der Region ab, Bundeskanzlerin Merkel will Deutschland heraushalten. Aber bei SPD, Grünen und selbst im Auswärtigen Amt gilt diese Haltung als zunehmend unhaltbar

BERLIN taz ■ Die internationalen Bemühungen um eine Konfliktlösung in Darfur sowie den Nachbarländern treten auf der Stelle. Am 31. August hatte der UN-Sicherheitsrat beschlossen, die UN-Blauhelmmission im Südsudan auf Darfur auszuweiten und auf über 17.000 Soldaten aufzustocken. Damit sollte die bestehende Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU) mit ihren rund 7.000 Soldaten durch eine schlagkräftige Truppe ersetzt werden, die die Zivilbevölkerung schützen kann.

Sudans Regierung lehnt das bis heute ab – sie ist nur damit einverstanden, die AU-Truppe mit Unterstützung der UNO auf logistischer und Kommandoebene aufzustocken. In Reaktion auf die UN-Beschlüsse startete sie eine Großoffensive in Darfur, die nach Ansicht von Jan Egeland, humanitärem Koordinator der EU, das Land „an den Rand des Abgrunds“ gebracht hat. Weil sich auch in Tschad und der Zentralafrikanischen Republik die Lage zuspitzt, wird auch dort der Einsatz von UN-Blauhelmen diskutiert. Sudan will auch das nicht.

In Deutschland hat eine Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom August, man werde keinesfalls Bundeswehrsoldaten nach Darfur schicken, eine Diskussion um ein Eingreifen blockiert. Doch mehren sich in der SPD Gegenstimmen. Am 16. November sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck, im Falle einer AU-Bitte um UN-Unterstützung in Darfur „kann niemand sich dieser Hilfe entziehen“. Gestern sagte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) der Bild am Sonntag: „Wenn es eine Aufforderung der Vereinten Nationen auch an europäische Länder gibt, können und dürfen wir als Europäer und Deutsche sie nicht zurückweisen.“ Die grüne Bundestagsfraktion hat am 22. November mit einer großen Anfrage versucht, den Druck zu erhöhen.

Das deutsche Nein zu Darfur gilt als revidierbar. Merkels Ablehnung sei „nicht das letzte Wort“, erklärte ein Fachmann im SPD-geführten Auswärtigen Amt jüngst auf einer Veranstaltung in Berlin. Bei einer formellen UN-Anfrage werde man damit „ganz seriös umgehen“. Schließlich brauche eine UN-Mission nicht nur Soldaten, sondern auch Spezialisten beispielsweise für Luftaufklärung und Grenzüberwachung.

Kurioserweise gibt es längst ein Bundestagsmandat für Bundeswehrsoldaten in Darfur. 200 deutsche Soldaten dürfen zur Unterstützung der AU-Truppe in Darfur eingesetzt werden, beschloss das Parlament im November 2004. Der Beschluss wird alle sechs Monate ohne Streit erneuert. Nur umgesetzt wird er nicht.

DOMINIC JOHNSON