„DIE PARTEI“ ERLANGT EINEN SITZ : Europa als Melkkuh
Taktisch klug, mit dem Gespür für das Alleinstellungsmerkmal, hat die Partei „Die Partei“ ihren Europawahlkampf bestritten –und damit Erfolg gehabt. „Da genügend Irre für Europa (Schulz! Seehofer!) eintreten und ebenso viele Schwachköpfe (Lucke! Seehofer!) dagegen, haben wir beschlossen, die vakante Position ‚Europa ist uns egal!‘ zu besetzen.“ Gelungen ist das mit dem Slogan „Ja zu Europa, nein zu Europa“, hinter dem sich fast 185.000 Wähler (0,6 Prozent) versammelt haben, genug für einen Sitz im Parlament. „Wir erklären uns zum Wahlsieger“, freut sich Leo Fischer, ehemaliger Chefredakteur der Satire-Zeitschrift Titanic, im Gespräch mit der taz. Neben SPD, CDU und AfD sieht Fischer, der auf Listenplatz neun kandidierte, seine Partei nach zehnjähriger Aufbauarbeit als vierte „Volkspartei“ im Lande.
Unklar ist, ob sich „Die Partei“ einer Fraktion anschließt. „Wir sind bereit, uns jedermann als Steigbügelhalter anzubieten“, so Fischer, nur müsse es sich lohnen. Man wolle die EU „melken, wie einen kleinen südeuropäischen Staat“, kündigte „Partei“-Chef Martin Sonneborn nach dem Einzug seiner Truppe ins Parlament an. Der Plan: 60 Parteimitglieder sollen in fünf Jahren durchs Parlament geschleust werden – jeweils für etwa einen Monat. Jeder soll dabei die Möglichkeit erhalten, 33.000 Euro abzusahnen und anschließend noch sechs Monate Übergangsgeld zu kassieren. „Wir werden die Zeit vor allem damit verbringen, unsere Rücktritte zu organisieren und uns zu bereichern“, sagt Fischer. Ansonsten möchte man „Kontakte zu Lobbyisten pflegen und das Büro für den Nachfolger aufräumen“.
Dieser Plan werde allerdings nicht klappen, prophezeit der Grünen-Spitzenkandidat und Finanzexperte Sven Giegold. Erstens bekämen Abgeordnete laut Artikel 13 des Abgeordnetenstatuts des Europaparlaments erst nach einem Jahr überhaupt einen Anspruch auf Übergangsgeld.
Außerdem dürfe das Parlament „ausgiebig“ prüfen, ob ein Abgeordneter freiwillig seinen Sitz räume. „Solche Prüfungen können sich hinziehen“, orakelt der Grüne. In dieser Phase dürfe der neue Abgeordnete den Posten nicht antreten. Pech für „Die Partei“. „Sonneborn ist noch nicht mal in Brüssel angekommen – aber er hat sich schon in der Bürokratie verstrickt“, lästert Giegold.
Wer am Ende als Gewinner aus der Sache herausgehe – die Bürokratie oder die Partei, das sei offen. Giegold, nach eigenen Angaben selbst ein „Sonneborn-Fan“, kann als Finanzpolitiker mit dem Geldverschwendungsansatz des neuen Parlamentskollegen wenig anfangen. Wenn Sonneborn seine Arbeit nicht machen wolle, solle er die Diät lieber den Flutopfern in Serbien spenden – oder „wenigstens neue Satire davon produzieren“.
ERIK PETER, ASTRID GEISLER