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Archiv-Artikel

Potenzielle Sommerhits

Der eine haut alle naselang ein neues Album raus, der andere ließ einen Jahre lang auf sein erstes Album warten. Der eine betreibt noch nebenbei ein Label und treibt sich in der Berliner Modeszene herum, der andere jettet von DJ-Pult zu DJ-Pult um die Welt. Die Arbeitsrhythmen von Oliver Koletzki und Alle Farben mögen ziemlich unterschiedlich sein, auf ihren aktuellen Alben allerdings wirken sie wie zwei sehr vertraute Brüder.

Frans Zimmer, der sich hinter Alle Farben verbirgt, lebt in Kreuzberg, ist seit nahezu einem Jahrzehnt ein begehrter DJ und lockte im vergangenen Jahr zum 1. Mai mehr als 30.000 Menschen aufs Tempelhofer Feld. Spätestens seitdem ist klar: Zimmer ist ein Star. Als solcher legt er nun sein Debüt vor, das ganz im Sinne seiner keine Genregrenzen akzeptierenden DJ-Sets nicht vor dem großen Pop zurückscheut. Zwar sind die 13 Stücke auf „Synesthesia“ durchweg tanzbar, aber ansonsten scheint alles möglich: knisternde Jazz-Anleihen oder schmusiger Gitarren-Folk, pulsierender Electro-Pop oder klaviergetriebene Romantik. Der 28-jährige Zimmer hat dank diverser Gaststimmen wie Graham Candy, Lydmor und Sway Clarke den Soundtrack für einen Sommer abgeliefert, der sich seinen Namen hoffentlich verdienen wird. Die im Albumtitel versprochene Synthese zwischen Dancefloor und Radio-Mainstream ist Alle Farben jedenfalls perfekt gelungen.

An exakt dieser Schnittstelle hat Oliver Koletzki lange gearbeitet. Der Chef des Berliner Mode- und Musik-Labels Stil vor Talent bildet mit seiner Lebensgefährtin Fran eine Art Traumpaar der elektronischen Tanzmusik. Zusammen hatten die beiden mit „Hypnotized“ sogar einen Radiohit. Diese Schiene bedient Koletzki auch auf „I Am OK“ wieder erfolgreich, vor allem mit „Up in the Air“: Der einzige Track, dem Fran ihre glockenhelle Stimme leiht, ist ein potenzieller Sommerhit mit wundervoll künstlich klingenden Bläsern. Ansonsten aber versucht Koletzki, nicht ganz so eingängig zu sein und leistet sich neben anderen Vocal-lastigen Tracks immer wieder längere Sequenzen, in denen der Rhythmus das Kommando übernimmt. Pop ist das immer noch, aber bisweilen knallen die Beats sogar ziemlich heftig. Koletzki will, das ist offensichtlich, zurück auf den Tanzboden, auf dem er zuletzt nicht mehr ganz so ernst genommen worden war. Vielleicht hat er auch nur vorhergesehen, dass ihm der Kollege Alle Farben die Vermittlerrolle zwischen den Welten streitig machen würde. THOMAS WINKLER

■ Alle Farben: „Synesthesia“ (Kallias/Sony)

■ Oliver Koletzki: „I Am OK“ (Vertigo/Capitol/Universal)